Seit acht Jahren herrscht Krieg in der Ostukraine. Das hat Spuren bei Menschen an und hinter der Front hinterlassen. Während die Lage erneut eskaliert, wirken die Traumata der Vergangenheit nach.
Dionissij Wassyljew sieht nicht so aus, als könnte ihn leicht etwas aus der Bahn werfen. Doch hier, in einem modrigen Keller weit im Osten der Ukraine, bricht dem stattlichen Mann im Priestergewand die Stimme. ›Entschuldigung, da werden Erinnerungen wach‹, sagt er den Tränen nahe. Und nimmt die Hand des Reporters und legt sie auf sein Herz. Es rast.
Hier, tief unter der Polizeistation der Bezirksstadt Druschkiwka, durchlebte Wassyljew (34) die drei schlimmsten Tage seines Lebens. Hier, so erzählt er sieben Jahre später, wurde er 2014 von russischen Separatisten eingesperrt und gefoltert. Durch ein kleines Fenster habe er gesehen, wie seine Mithäftlinge erschossen wurden, mindestens 30. Menschen, die nichts anderes taten, als sich für eine freie Ukraine einzusetzen. So wie er in seiner Kirche.
Wassyljews Schicksal ist eines von vielen. Denn angesichts der neuen Warnungen vor einem russischen Angriff vergessen viele: Wladimir Putin führt schon seit fast acht Jahren Krieg gegen die Ukraine. Als der korrupte Präsident Wiktor Janukowytsch im November 2013 das bereits fixierte Assoziierungsabkommen mit der EU verwarf, zogen Hunderttausende in Kiew auf die Straße. Mehrmals versuchten Polizei und Spezialeinheiten, den ›Euromaidan‹ brutal niederzuschlagen, am Ende auch mit scharfer Munition. Doch hunderte Tote vergrößerten die Wut der Demonstrierenden nur. Im Februar 2014 wurde Janukowytsch vom Parlament abgesetzt, Neuwahlen wurden ausgerufen und das Assoziierungsabkommen unterzeichnet. Der absurd protzige Wohnsitz Janukowytschs nördlich von Kiew wurde zum Mahnmal für Korruption in einem der ärmsten Länder Europas.
Nur Tage danach verleibte sich Russland völkerrechtswidrig die Krim ein, vorgeblich zum Schutz der dortigen ethnischen Russen. Tatsächlich wollte Russlands Präsident Wladimir Putin die Proteste abwürgen und die Ukraine destabilisieren. Fast zeitgleich brachen von russischer Propaganda befeuerte Kämpfe in den östlichen Oblasten Donezk und Luhansk aus. Aus dem Nichts tauchten ›grüne Männchen‹ auf, von Russland bezahlte Söldner, die mit prorussischen Separatisten für eine Abspaltung von der Ukraine kämpften. Sie nahmen etwa ein Drittel des Donbass ein und halten es bis heute. Völkerrechtlich gehören die selbsternannten ›Volksrepubliken‹ Donezk und Luhansk nach wie vor zur Ukraine, de facto regieren dort die Marionetten Moskaus.
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