Die Seeschlacht

Freie Ufer sind in Österreich nur noch ein seltenes Gut. Wenn neu am Wasser gebaut werden soll, wird deshalb heftig gestritten. So wie aktuell am Salzburger Wallersee.

DATUM Ausgabe Juli/August 2022

Wenn Helena Karger um das alte Strandcafé in der Ostbucht des Wallersees spaziert, streift sie durch eine Idylle. Da sind Seehäuser, ein kleiner Hafen und weiter hinten ein Campingplatz und ein Waldkindergarten. Der ›Waldkindergarten‹ heißt nicht nur so, nein, er liegt wirklich zwischen Buchen und Tannen, und im Sommer fällt das Sonnenlicht weich durch die Bäume. ›Unser Bürgermeister will dieses Paradies kaputtmachen‹, sagt Karger, eine zierliche Frau in einer pinkfarbenen Strickweste. Sie meint damit Baupläne für eine Hotelanlage, die Bürgermeister Adolf Rieger (ÖVP) in der 6.000-Einwohner-Gemeinde Neumarkt am Wallersee heimlich vorangetrieben habe.

Sogar eine Aufschüttung im See und eine Halbierung des öffentlichen Strandbads sei von manchen Herren im Stadtrat geplant gewesen, erzählt Karger, die selbst in Neumarkt am östlichen Ufer des Sees wohnt. Gemeinsam mit anderen Anrainern habe sie 660 Unterschriften gesammelt, um Schlimmstes zu verhindern.

Was könnte in der noch ruhigen Ostbucht des Salzburger Wallersees passieren? Ein Hotel mit bis zu 249 Betten soll kommen, verteilt auf zahlreiche Gebäude, so vermuten die Projektgegner. Im September 2020 stellte Bürgermeister Rieger im nicht öffentlichen Teil einer Stadtratssitzung seine Hotelpläne vor, ein Jahr später berichtete der ÖVP-Politiker in einem Brief an die Bürger von Neumarkt von einem ›ernsthaft interessierten Hotelprojektinvestor und -betreiber‹. In einer Bürgerversammlung im vergangenen Mai musste er aber viel Kritik einstecken, und die Gemeinde-SPÖ fordert eine Bürgerbefragung.

Am Telefon sagt Bürgermeister Rieger nun zu DATUM: ›Man muss klarstellen: Es gibt bisher kein Hotelprojekt. Ein solches müsste erst einmal vorliegen, bevor man eine Befragung durchführen kann.‹ Er wolle ›künftigen Generationen nicht mit einer voreiligen Abstimmung die Zukunft verbauen‹. Der Bürgermeister will offenbar statt der Zukunft lieber das Ufer verbauen.

Die Wallersee-Debatte ist typisch für die Konflikte um Österreichs Seeufer. In vielen Gemeinden sind die schönsten Strände bereits in privatem Besitz und nicht mehr öffentlich zugänglich. Häufig erhoffen sich die Gemeinden durch Verkäufe und Verpachtungen einen touristischen Impuls, auch Bürgermeister Rieger verspricht, ›die in die Jahre gekommene Wallersee-Ostbucht für alle aufzuwerten‹.

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