Editorial Juli/August 2020
Weil ich zum Abschied etwas neues ausprobieren wollte, fanden wir uns also mit bunten Pastellkreiden in der Hand um den Besprechungstisch versammelt wieder: Patricia McAllister-Käfer (Chefin vom Dienst), Anatol Vitouch (Textchef), Christian Bretter (Art Director) und ich. An diesem schweren Charaktertisch haben wir jahrelang DATUM entworfen, wir haben diskutiert, gelacht, gefeiert, bloß gestritten und gezeichnet haben wir nicht. Fürs Streiten war es schon zu spät, also schlug ich vor, gemeinsam das nächste Cover zu zeichnen. Denn: warum nicht?
Die einzige Konstante im Leben ist die Veränderung. Neuanfänge wie Abschiede sind Teil dieser Konstante. DATUM steht vor solch einem Neuanfang. Schon wieder. Er beginnt mit meinem Abschied. Und ich möchte dabei der Versuchung widerstehen, in die Fanfare zu blasen.
So malten wir also Grinsemünder, Genome und Fischwesen für das letzte Cover eines fast fünfjährigen Zyklus, der mit der September-Ausgabe als ein weiteres ›DATUM alt‹ bezeichnet werden könnte. Auch wir sprachen beim letzten Neustart von den neuen Seiten der Zeit. Sie unterschieden sich von den alten Seiten insofern, als wir anders machen wollten, was jene vor uns schon anders als jene vor ihnen zu machen sich vorgenommen hatten. Auch diese Veränderungen sind wohl Teil einer Konstante.
Zeitgenössischer in Form und Inhalt sollte DATUM werden, neue Formate, neue Zugänge, neues Layout, bei gleichzeitiger Wahrung der Werte. Ob uns das gelungen ist? Diese Frage müssen Sie beantworten. Ich bin da befangen.
Eines zu sagen, liegt mir jedoch trotz Befangenheit am Herzen. Die Menschen, die DATUM in den vergangenen Jahren machten und waren, und ich durfte sie alle kennenlernen, waren einander in ihrem Tun in der Überzeugung verbunden, gegenüber den Protagonistinnen und Themen unserer Berichterstattung, gegenüber den Leserinnen und Lesern Haltung einzunehmen und Verantwortungsgefühl wahrzunehmen. Die Ernsthaftigkeit und der Anstand, mit dem die Schreiberinnen und Rechercheure, die Fotografinnen und Infografiker ihr journalistisches Handwerk in dieser Zeit betrieben haben, gereicht unserem oft und oft zu Recht gescholtenen Berufsstand zur Ehre.
Teil dessen gewesen sein zu dürfen, hinterlässt mich staunend – und dankbar. Und obgleich es mich zweifellos mehr Lebensjahre gekostet haben wird, als es andauerte, möchte ich nur wenige Tage davon missen.
Nun ist mir, Sie merkten es, die Fanfare doch in die Hand gerutscht. Ich bitte Sie ein letztes Mal um Nachsicht. Sollten Sie dem Zyklus, der hier sein Ende findet, ein wenig nachtrauern, schauen Sie sich doch einfach unsere liebevolle, wohl aber doch ungelenke Coverzeichnung an. Vielleicht freuen Sie sich dann ja ein wenig mehr auf das neue DATUM. Jenen Menschen um Herausgeber Sebastian Loudon, die das Magazin und seine Werte in die Zukunft führen werden, wünsche ich das Beste.
Mein eigener Neuanfang wartet im Herbst auf mich. Ich führe, wie sollte es denn auch anders sein, etwas neues im Journalismus im Schilde.
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