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Editorial Juni 2018

DATUM Ausgabe Juni 2018

Liebe Leserin, lieber Leser,

ich war viele Jahre meines Lebens verliebt in Österreichs Innenpolitik. Das mag überraschend oder eher auch verstörend klingen, aber ab ­meinem zwölften Lebensjahr war es mir ein großes Vergnügen, jeden Parlamentarier mit Vor- und Nachnamen und Spezialgebiet zu kennen. Als ich mich als Anfängerjournalistin für ein Ressort entscheiden musste, war mir klar, welches das sein sollte, und es war dann auch genauso schön, wie ich es mir immer vorgestellt hatte. Ich saß an jedem freien und – so ich mich freispielen konnte – unfreien Tag im Parlament und hörte den Nationalratsabgeordneten zu. Ich las voller Leidenschaft politische Biografien, ich war glücklich, wenn ich zu den Parteitagen durfte, ich führte Interviews und Gespräche, kurzum, für mich galt: Vergnügung österreichische Innenpolitik. Leidenschaften flauen meist irgendwann ab und werden durch andere ersetzt, dennoch ist mir die Innenpolitik eine Schwäche geblieben.

Ein Glück für mich, dass ich diese Schwäche mit dem Journalisten Martin Thür teile und wir uns bei einem ersten Treffen in der Sache recht schnell einig waren: eine SPÖ-Geschichte muss her. Und wenn man eine SPÖ-Geschichte schreiben will, sollte man dorthin gehen, wo sich die älteste Partei Österreichs gerade neu formiert: in die Löwelstraße. Das hat Thür gemacht, akribisch recherchiert und mit jedem gesprochen, der ihm über den Weg lief. Schlussendlich hat er für dieses Heft einen wunderbaren Text geschrieben: die Beobachtung einer Partei, die sich auf Bundesseite in der Oppositionsrolle finden und auf Landesseite die kratergroße Lücke nach dem Abgang Michael Häupls füllen muss. Nur ein paar hundert Meter weiter, in Wien-Leopoldstadt, haben wir außerdem in einem Interview mit der ehemaligen SPÖ-Staatssekretärin und Ex-Siemens-Vorständin Brigitte Ederer über die Herausforderungen der Sozialdemokratie und (fehlende) Frauen in der Politik gesprochen.

Für jene, die der Innenpolitik nicht ganz so leidenschaftlich gegenüberstehen, gibt es in diesem Heft dennoch viel zu lesen: das Tischgespräch etwa, das Eva Konzett über das Thema Geld und Vermögen in Österreich geführt hat. Stefan Schlögls Porträt über einen, oder besser: den Cowboy aus Wien-Brigittenau. Die Suche von DATUM-Talent ­Magdalena Berger auf die Frage, warum das Dorf Hinterstoder an Einwohnern verliert und das daneben gelegene Vorderstoder welche gewinnt. Oder der Essay von Michael Frank über verlogene Willkommensmythen von Österreichern und Deutschen.

Bedanken möchte ich mich für Ihre vielen positiven und konstruktiven Rückmeldungen auf die vergangene Ausgabe. Wenn Ihnen DATUM gefällt, sagen Sie es ruhig weiter! Wir machen uns einstweilen auf und planen die kommende Ausgabe, eine sommerliche Doppelnummer.

Ich wünsche Ihnen eine schöne Lektüre mit den Seiten der Zeit.

Ihre Saskia Jungnikl

saskia.jungnikl@datum.at