›Ethischer Konsum ist Arbeit‹
Kann ›richtiger Konsum‹ die Welt ändern? Ein Gespräch über faire Logos, grüne Lügen und die Macht der Wirtschaftsbürger.
Fette Flocken flogen an jenem Februarmorgen durch die Kirchengasse, als die vier in die Redaktion traten, bezuckert und wach, eine nach dem anderen: Helmut Schüller, Dorfpfarrer und Fair-Trade-Prediger. Barbara Koszednar, Fairfashion-Designerin. Martina Hörmer, Geschäftsführerin von ›Ja! Natürlich‹. Und schließlich Werner Boote, Dokumentarfilmer.
Wir nahmen am Besprechungstisch Platz, ebendort, wo wir dieses Gespräch ausgeheckt hatten: Was bedeutet Ethik im Konsum? Wie sich zurechtfinden zwischen Milch- und Hemdkauf? Welchen Marken trauen und wie globalen Konzernen? Der Kaffee am Tisch war Fair Trade, das Wasser aus der Leitung, unsere fünf Smartphones auf den Rücken von Umwelt und Mensch produziert.
Bio, fair, regional, umweltgerecht, menschengerecht. Was, meine Damen, meine Herren, was ist eigentlich richtiger Konsum?
Boote: Ich habe immer versucht, so einzukaufen, dass es für mich gut ist und für die Welt. Und irgendwann hab ich mich gefragt, ob das jetzt wirklich gut ist, was ich da kaufe, und wie ich mich in diesem Dschungel eigentlich zurechtfinden kann. Da sind überall diese briefmarkengroßen Dinger drauf, die ich eh nicht entziffern kann, Logos und Siegel, die ich alle durchlesen und verstehen soll. Das ist zu viel. Was ich schon sehr lange praktiziere, ist eine Art Buykotting …
… also der Boykott bestimmter Konsumartikel …
Boote: … ja. Es gibt Produkte, die ich einfach verweigere. Zum Beispiel Plastik. Und ich meine wirklich verweigern. Damit stelle ich mich aktiv gegen etwas.
Hörmer: Wir leben in einer Zeit, in der es kein Morgen mehr zu geben scheint. Alles soll jederzeit und immer zum besten Preis verfügbar sein. Unsere Welt stößt damit an ihre Grenzen. Aus dem heraus sollte sich jeder Kunde bewusst sein, dass er mit dem Kauf auch eine Entscheidung trifft. Jeder Kauf ist auch ein Statement für eine Lebensweise, für eine Ausdrucksweise.
Koszednar: Wir denken bei unserer Arbeit an die drei Punkte, also an die Menschen, an die Umwelt und an die Tiere, und versuchen so zu handeln, dass wir nichts davon ausbeuten. Mit der Frage hat der ethische Konsum bei mir auch angefangen: Woher kommen die Sachen eigentlich?
Schüller: Ich sehe das ähnlich wie Sie alle. Durch meine Entscheidung, das eine zu kaufen und das andere nicht, will ich Verantwortung zeigen. Und andererseits damit Zeichen setzen. Ein recht großes Wort ist das, ein Zeichen setzen. Wenn du ein Packerl Kaffee kaufst, ist das Zeichen begrenzt, aber es ist dennoch wichtig. Für mich ist wichtig, zu fragen, wer in die Produktionskette involviert ist. Die Schwierigkeit dabei ist nur, dass viele Produkte nicht einfach entstehen, sondern an der Produktionskette meist viele Beteiligte sind. Grade im Textilbereich ist es enorm komplex. Und diese Auseinandersetzung mit der Produktion und meinem Konsum ist ethisch. Ethik ist ja leider selbst zum Konsumartikel geworden. Das Wort ethisch lässt sich selbst wohltuend konsumieren.
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