Flavia gegen Goliath

Wie die Schweizerin Flavia Kleiner, 27, die SVP bekämpft.

›Für demokratische Institutionen, für die Schweiz – Nein zu Billag‹. So klingt zusammengefasst der Slogan der NGO-Grup­pe Operation Libero in einer anstehenden Volksabstimmung am 4. März. Die rechtsnationale Schweizer Volkspartei, eine Schwesterpartei der FPÖ, möchte vordergründig die Gebühren für den öf­fentlich-rechtlichen Rundfunk abschaffen. Tatsäch­lich geht es um einen Frontalangriff auf eine wesentliche demokratische Institution.

Diese Abstimmung wird vermutlich für den Beibehalt der Rundfunkgebühren ausfallen. Dass es so kommt, dass sämtliche Gruppen mobilisiert sind, ist maßgeb­lich der NGO-Einsatztruppe ›Operation Libero‹ zu verdanken (benannt nach dem ›Libero‹ im Fußball, einem Verteidigungsspieler ohne direkten Gegenspieler). Ihr Aushängeschild ist Flavia Kleiner, 27, Geschichtestudentin, aufgewachsen als eines von drei Kindern in einem Pendlervorort von Zürich. Drei Er­fahrungen prägen sie: die Bürgernähe der Mutter, die Gemeinderätin der Schweizer FDP war (der Partei wirft Kleiner Anbiederung an die SVP vor). Der zeitungs­lesende Vater. Die offenen Diskussionsrunden bei einem Professor der Rechtsphilosophie an der Uni. ›Wir sind die 70 Prozent!‹ erkennt Kleiner, ›Die SVP dominiert als Minderheit unseren Diskurs‹. Sie folgert: ›Wir müssen gewinnen‹. Und Libero ge­winnt in Serie, indem die bürgerliche Mitte wachgerüttelt und der SVP der Bruch mit den Pfeilern der Schweiz – Gewaltentrennung und Rechtsstaatlichkeit – vorge­worfen wird.

Die Idee zu Libero entstand kurz nach dem desaströsen Ja zur SVP-Initiative ›Gegen Masseneinwanderung‹ im Februar 2014. Ein paar Zürcher Jus- und Geschichte­studenten schrieben damals ihre eigene Strategie für die Schweiz, für die liberale, traditionsreiche und erfolgreiche Schweiz – und gegen rechts.

Ein Jahr später kam die Feuertaufe: Die Rechtspopulisten schlugen 2015 die ›Durchsetzungsinitiative‹ vor, abermals einen ausländerfeindlichen Gesetzesvorschlag. Die Umfragen zeigten ein halbes Jahr vor dem Volksentscheid: zwei von drei Wählern würden ›ja‹ wählen. Die SVP gewann noch dazu eine Wahl im Herbst 2015. Etablierte Kampagnenleiter und Einflusspersonen im Land schienen ratlos und matt.

Flavia Kleiners Stunde schlug. Die Co-Präsidentin der Operation Libero mischte sich unter Wirtschaftsgranden, Abgeordnete, Juristenkreise, die übrigen Parteien. Libero mobilisierte früh, wendig, selbstbewusst: Das Kernteam startete einen ›Juristenchat‹ und einen ›Warrior Chat‹ im Netz; Anhänger im ganzen Land beobachteten den Gegner, testeten zugleich die eigenen Botschaften, Argumente und Instrumente übers Netz statt in Sitzungen. Kurz vor der Abstimmung plakatierte Libero die stolze Helvetia, Symbol der Schweiz, erschlagen von einer Abrissbirne.

Die Durchsetzungsinitiative scheitert im Februar 2016; Kleiner wird bejubelt. Zu ihrem wesentlichen Gegenspieler, dem SVP-Übervater Blocher, sagt sie später in einem Interview: ›Sie haben mit dieser Initiative den Rechtsstaat und die Verhältnismäßigkeit nicht respektiert. Das ist doch ein Widerspruch zu Ihrem Lob auf die Demokratie‹. Die SVP bleibt jedoch ein hartnäckiger, übermächtiger Gegner: Blocher hat Medien gekauft, Blochers Leute entscheiden in Gremien des Landes.

Kleiner konfrontiert ihre Gegner weiter und weckt zugleich die Mitte, die sich ›von der Welt manchmal überrollt fühlt‹. Bürgernähe sieht sie als Bringschuld. Das gilt auch im Vorfeld der ›No Billag‹-Ini­tiative. Daher sammelte die Operation Libero Geld per Crowdfunding, um die Umschlagseiten einer populistisch gefärbten Gratiszeitung im Land zu kaufen.