Gestählte Fitness-Krieger

Das junge Künstler-Duo Ana Zibelnik und Jakob Ganslmeier ergründet die Ästhetik aktueller neo-faschistischer Männlichkeitsbilder.

·
Fotografie:
Ana Zibelnik, Jakob Ganslmeier
DATUM Ausgabe September 2024

Gott schuf den Mann als Anführer, als Kämpfer‹, lautet die Einleitung der Drei-Kanal-Videoarbeit ›Bereitschaft‹ (2024) von Jakob Ganslmeier und Ana Zibelnik. Der Titel der Arbeit bezieht sich auf eine 1939 geschaffene Skulptur von Arno Breker, dem ›Michelangelo des ­Dritten Reichs‹. Das Künstlerduo untersucht darin, wie faschistische Ästhetiken und Körperbilder in den Sozialen Medien, insbesondere auf Tiktok, erneut aufgegriffen und aktualisiert werden.

Das kantige Gesicht einer Statue, eine bestimmte Frisur in Kombination mit einem Scheitel oder ein zwei Zentimeter breiter, schwarzer Bart unter der Nase – in wenigen Sekunden werden stereotypische Männlichkeitsbilder und fragmentarische Symbole aus der Zeit des Nationalsozialismus wachgerufen. Wo und in welcher Form werden heute visuelle Strategien und Codes entwickelt, um an historische Ideologien anzuschließen? Wo werden diese gezielt ausgelöscht und überschrieben, um Zensur und staatliche Kontrollmechanismen zu unterwandern?

In ihren Ausstellungsinstallationen aus digital generierten Bildern im Smartphone-Format und analytischen Texten untersuchen Ganslmeier und Zibelnik aktuelle Fragen von maskulinem Körperkult im Verhältnis zu frauenfeindlichen Mechanismen. Dabei überlagern sich in den Kacheln unterschiedliche Muster und Inhalte. ­Brekers Bronzeplastik ›Bereitschaft‹, kurz vor dem ­Ausbruch des Zweiten Weltkriegs entstanden, dient dabei als Vorbild für Workouts und Tutorials, die kantige ­Gesichtszüge und einen ›soldatischen Körper‹ (Klaus Theweleit) propagieren, wie der eines gestählten ­Kriegers. In den Sozialen ­Medien und Netzwerken ­knüpfen die Trends von immer seltsameren Erscheinungsformen in Begrifflichkeit und direkter Referenz mit ›Bone­smashing‹, ›gemeißelte Kieferpartie‹, ›Mewing‹, ›Looksmaxxing‹, Gesichtsfitness und ›Hunter Eyes‹ an ein be­unruhigendes und extremes Streben nach körperlicher Perfektion an. Fitnessideale in Kombination mit ›arischen‹ Ideologien überlagern sich. Auch wenn ein Großteil des präsentierten Materials auf den ersten Blick nicht mit rechtsextremer Ideologie in Einklang zu bringen ist, zeichnen Ganslmeier und Zibelnik geschickt ein Muster, das zeigt, wie die Mainstream-Bildsprache von extremistischen Gruppierungen übernommen wird, um ihren Einfluss zu verstärken. •

Ana Zibelnik (1995, Ljubljana) und Jakob Ganslmeier (1990, München) arbeiten seit 2020 als Künstlerduo im Bereich von Fotografie- und Videoprojekten, in deren Mittelpunkt die Identitätsbildung von Jugendlichen steht. Sie befassen sich kontinuierlich mit gesellschaftlichen Themen wie Klimaangst, Online-Trends und dem Einfluss extremer Ideologien auf junge Menschen.

* Felix Hoffmann leitet das Foto -Arsenal Wien, Österreichs neues Zentrum für fotografische Bilder und ›Lens Based Media‹. Mehr Informationen: www.fotoarsenalwien.at

Sie können die gesamte Ausgabe, in der dieser Artikel erschien, als ePaper kaufen:

Diese Ausgabe als ePaper für € 6,00 kaufen