Gute alte Geister
In ›Spirit Island‹ kämpfen die Spieler gemeinsam gegen Kolonisatoren.
Konkurrenz ist out. Nicht im echten Leben natürlich, da regiert mehr denn je die Logik des Ellbogens. Beim Gesellschaftsspiel dagegen wird heute das Miteinander großgeschrieben: Man siegt und verliert gemeinsam (oder gar nicht), das ist angeblich gut für die Stimmung und den sozialen Zusammenhalt.
Das 2017 erschienene kooperative Brettspiel ›Spirit Island‹ gehört zu den beliebtesten Vertretern des Genres ›Gemeinsam gegen das Spiel‹, besticht es doch sowohl narrativ als auch spielmechanisch durch sein dem Zeitgeist perfekt angepasstes Ideengulasch. Als Gruppe von zwei bis vier Spielern (wobei für Einsame auch ein Single-Player-Modus existiert) widmet man sich dabei dem noblen Auftrag, europäische Kolonisatoren loszuwerden, die sich wie Karnickel vermehren. Nur so können nämlich sowohl die indigene Bevölkerung der Insel als auch das ökologische Gleichgewicht vor dem ›Wüten‹ (so heißt tatsächlich eine der Spielphasen) der durch kleine Conquistadores symbolisierten Invasoren gerettet werden.
Zum Glück gibt es die Geister der Natur! Von der ›Lebenskraft der Erde‹ bis zum ›Sonnengenährten Fluss‹ darf aus einer breiten Palette esoterisch angehauchter Charaktere mit unterschiedlichem Komplexitätsgrad ausgewählt werden. Wer mehr auf Krawall gebürstet ist, wird sich vielleicht für den ›Boten der Albträume‹ oder die ›Unter der Insel schlummernde Schlange‹ erwärmen.
Sind die Rollen verteilt, gilt es, die Spezialfähigkeiten des eigenen Charakters optimal zum Einsatz zu bringen, indem man sich klug am Aktionskartenstapel bedient. Gelingt das, dann werden die bösen Europäer zum Beispiel durch Tsunamis oder mächtige Feuersbrünste dahingerafft. Murkst sie die Kolonisatoren schnell genug ab, gewinnt die spiritistische Spielgemeinschaft – andernfalls verhütteln die Eindringlinge alles mit ihren Siedlungen und Städten, bis die Präsenz der alten Geister schwindet.
Dass man sich ›Spirit Island‹ durchaus auch in einer Gottfried-Waldhäusl-Edition vorstellen kann, bei der germanische Geister (›Hauch des Odin‹) das ›Alte Wien‹ vor bedrohlichem Zuzug retten, ist natürlich nicht die Schuld der Spieleentwickler. Es beweist nur, dass der heute wieder populäre Mythos vom edlen Wilden seine Abgründe hat. •
Spirit Island · Pegasus Spiele · Autor: R. Eric Reuss