›Ich bin ein Mistbua‹

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Fotografie:
Ursula Röck
DATUM Ausgabe Mai 2022

Name : Michael Gremlica, 33

Beruf : Müllaufleger bei der MA 48 

 

Ich habe gehört, Müllmänner heißen offiziell Müllaufleger. Warum?

Das ist ein Begriff von früher, als es noch Kutschenwägen gab. Die Müllmänner haben die Behälter damals auf die Schulter gelegt und den Inhalt in den Wagen geleert.

Bezeichnen Sie sich selbst auch als Müllaufleger?

Ich bin ein ›Mistbua‹. Viele Leute sagen auch ›Mistkübler‹.

Und das ist nicht despektierlich für Sie?

Im Gegenteil, ich finde das nett. Die Leute sind ja zufrieden mit uns. Natürlich hupt uns manchmal jemand auf der Straße an und beschwert sich. Aber das passiert selten. 

Wie viel Müll leeren Sie jeden Tag?

Ich habe am Tag zwischen 750 und 900 Anfahrtsadressen. An manchen Standorten stehen mehrere Tonnen. 

Wie arbeiten Sie bei der Müllabfuhr?

Je nach Strecke arbeiten wir in Teams von zwei bis fünf Leuten. In Wohnhäusern müssen wir in die Keller runter, das ist aufwendig. Es gibt dann einen Vorausträger, der die Tonnen heraufholt. Der Fahrer kommt mit dem Wagen und der Kipper leert die Behälter aus. Leerträger bringen sie zurück.

Welche Ausbildung braucht man für den Beruf?

Im klassischen Sinne keine, man sollte aber kräftig sein. Die Ausdauer kommt mit der Zeit. Ich war am Anfang müde und hatte blaue Flecken, weil ich die Kübel falsch genommen habe. Mittlerweile kenne ich die richtige Technik. 

Wie sind Sie zur Müllabfuhr gekommen?

Durch die Familie, mein Schwiegervater ist auch bei der MA 48. 

Wie schwierig war es für Sie, den Job zu bekommen?

Der Job war damals gefragt, es gab Wartezeiten von bis zu sieben Jahren. Ich selber habe etwa ein Jahr gewartet. Es hat sich damals gut ergeben. Viele ältere Kollegen gingen zu der Zeit in Pension.  

Wie viel verdient man als Müllaufleger?

Etwa 2.000 Euro netto. 

Finden Sie das angemessen?

Dafür, dass wir bei der Arbeit im Hochsommer schwitzen und im Winter bei Minusgraden frieren, ist die Bezahlung gerechtfertigt. 

Erkälten Sie sich oft?

Seit ich da bin, geht es mir gesundheitlich besser. Vor dem Job war ich ständig krank. Jetzt bin ich an der frischen Luft und erkälte mich kaum noch.

Wie ertragen Sie die strengen Gerüche?

Auf manchen Touren stinkt es schon gewaltig, aber man gewöhnt sich daran. Ein Kollege war jahrelang bei den Biobehältern und nimmt die Gerüche gar nicht mehr wahr.

Stinken Sie, wenn Sie von der Arbeit heimkommen?

Während der Arbeit bestimmt, das ist normal. Nach Dienstschluss duschen wir in der Unterkunft. Meine Frau schimpft also nicht mit mir, weil ich stinkend nach Hause komme. 

Sehen Sie den ganzen Inhalt der Tonnen?

Was unten ist, sehen wir nicht. Ich mache aber immer eine Sichtkontrolle. Besonders wichtig ist das bei den Papiercontainern. Dort legen sich im Winter nämlich Obdachlose hinein, um zu schlafen. Die sollten wir nicht mit ausleeren. 

Unterscheidet sich der Müll je nach Bezirk?

Nein, aber Bewohner von Einfamilienhäusern haben ein anderes Schamgefühl als die in großen Wohnanlagen. Wenn ich Menschen ihren Müll zuordnen kann, gehen sie anders damit um. 

Was würde Ihnen die Arbeit erleichtern?

Das ist einfach: richtiges Mülltrennen. •

 

 

Täglich sind rund 650 Müllaufleger in Wien  im Einsatz, darunter weniger als zehn Frauen. 

Pro Jahr erfasst die MA 48 insgesamt rund 1.200.000 Tonnen Müll, über die Sammlung mit Systembehältern sind es pro Tag rund 2.900 Tonnen. 

Weltweit hat die Pandemie zu deutlich mehr Plastikmüll geführt. Bis Ende August 2021 sind durch Masken und Handschuhe, aber beispielsweise auch versendete Pakete, zusätzlich 8,4 Millionen Tonnen angefallen. 

Quelle: Stadt Wien, Umweltministerium, PNAS 

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