›Ich war kein Wendegegner‹

Über Waldheim, Kanzlerwitze und die Gefahr bei Rot-Blau.

Interview:
Stefan Apfl
·
Interviewter:
Rainer Nowak, Chefredakteur ›Die Presse‹
DATUM Ausgabe Juli/August 2017

Sie rauchen ja wieder untertags.
Rainer Nowak: Ja, seit eben.

Und wie geht es Ihrer Achillessehne?
Die Entzündung ist nicht abgeheilt. Ich kann noch immer nicht laufen gehen.

Machen Sie einen anderen Sport?
Nein.

Sie treiben keinen Sport mehr und rauchen wieder untertags.
Ich weiß, danke. Da kenne ich einen Witz. Der Kanzler hat ihn gestern erzählt.

Wollen Sie ihn hören?
Ist er lustig? Er ist vom Kanzler.

Also bitte.
Treffen sich zwei alte Wiener. Sagt der eine: Weißt schon, wer gestorben ist? Sagt der andere: Na, mir ist a jeder recht.

Bei welcher Gelegenheit erzählt der Kanzler solche Witze?
Gestern abend beim Abschied der SZ-Korrespondentin Cathrin Kahlweit. War sehr lustig. Kern hat bei dem Heurigen eine Ansprache gehalten und eine Anrainerin hat reingerufen: ›Wisst Ihr wie spät es ist, es ist schon nach zehn, Ruhe!‹ Belvedere-Direktor Bergmann hat raufgerufen: ›Aber das ist der Bundeskanzler!‹ Und die Anrainerin: ›Des is ma wurscht!‹

Sehr wienerisch.
Wienerisch ist auch, dass sich Kahlweit, die sich von der österreichischen Verhaberungs szene immer distanziert hat, am Schluss voll vereinnahmt wurde: Präsident und Kanzler halten Ansprachen und Heller singt.

Und der Presse-Chef ist auch dort …
… den kriegt man ja leicht.

Sie haben Ihre Karriere als Gastrokritiker begonnen. Wie wird man das?
Indem man dieses unfassbar teure Hobby zu seinem Beruf macht. Heinz Reitbauer hat mal gesagt: Man muss einen Kleinwagen verfressen haben, um mitreden zu können. Das ist leider so. Ich hatte das Riesenglück, dass der Lebensgefährte meiner Mutter ein Gourmet war. Der hat mich als Kind durch alle Michelin-Lokale Italiens und Frankreichs geschleift – und es gibt als Kind oder als Jugendlicher nur eine Möglichkeit: Entweder du machst mit oder du bist pubertär und wehrst dich.

Sie haben mitgemacht.
Ich hab diese publizistische Marktchance für mich erkannt. Das ist ironisch gemeint.

Waren Sie eigentlich jemals pubertär und haben sich gewehrt?
Ich habe ’86 gegen Waldheim demonstriert. Diese Opferrolle Österreichs habe ich abgelehnt und nie verstanden, wie man mit der Vergangenheit so verlogen und schäbig umgehen konnte.

Haben Sie gegen die schwarz-blaue Wenderegierung demonstriert?
Ich war kein Wendegegner. Im großkoalitionär verkrusteten Österreich habe ich sie als demokratiepolitische Notwendigkeit empfunden, quasi als notwendige Fieberkrankheit. Das Problem war, dass die Reformen, die damals passiert sind, etwa die Polizei- und Gendarmerie- Zusammenlegung, untergegangen sind im Sog der echten und angenommenen Korruptionsfälle.

Wie sehen Sie eine Regierungsbeteiligung der FPÖ, die uns wohl bevorsteht?
Ich denke, dass sie aus manchen Fehlern gelernt haben. Es erschreckt mich aber, dass es ihnen immer noch mehr um Marketing geht als um Inhalt. Und bei Rot-Blau besteht die große Gefahr für das Land, dass beide Geld ausgeben, anstatt notwendige Reformen anzugehen.

Würden Ihre Kinder gegen eine blaue Regierungsbeteiligung demonstrieren …
… dafür sind sie noch zu jung.

Wären sie alt genug – was würden Sie tun?
Ich würde sie zeitgerecht von der Demo abholen. Im Ernst: Wenn die Jungen nicht demonstrieren, sind sie keine Jungen für mich.

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