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›Ich will das alles nicht machen‹

Warum ich Mugtaba Hamoudah ab September meine DATUM-Kolumne überlasse.

DATUM Ausgabe Juli/August 2020

Mugtaba Hamoudah sitzt im Schanigarten des Figar, gleich unterhalb der ­DATUM-­Redaktion in der Kirchengasse. Es ist keine drei Wochen her, dass der 19-jährige Wiener eine Demonstration auf die Beine gestellt hat, die Geschichte geschrieben hat. Es war ein riesiger und friedlicher Protest gegen Alltagsrassismus und Polizeigewalt, der größte, den Wien je erlebt hat. Ausgangspunkt war das Entsetzen über das Video mit dem von einem Polizisten ermordeten George Floyd in Minneapolis. Nachdem ich das Video gesehen hatte, ging es mir zwei Tage richtig mies. Einer Freundin von mir setzte es noch mehr zu, dann dachte ich mir, wir müssen auch in Wien etwas tun. Natürlich war George Floyd der Ausgangspunkt, aber Hamoudah geht es um mehr, nämlich um das Sichtbar­machen eines strukturellen, ganz tief sitzenden Rassismus in allen west­lichen Gesellschaften. Und um ein ganz großes Missverständnis: Der Umstand, dass wir nach wie vor rassistisch geprägt sind, macht uns nicht eins zu eins zu Rassisten. Es versetzt uns aber sehr wohl in die Pflicht, uns aktiv anti­rassistisch zu engagieren.

Geplant war zunächst ein stiller Protest mit Namen der Opfer von rassistischer Polizeigewalt und einigen wenigen hundert Teilnehmern. Dabei wandte sich Hamoudah seiner Men­torin zu, der Ärztin und SPÖ-Gemeindepolitikerin Mireille Ngosso, die ihm beim behördlichen Rundherum zur Seite stand. Er kannte sie aus seiner Zeit bei der Sozialistischen Jugend. Die Bewerbung der #BlackLivesMatter-­Demo am 5. Juni 2020 erfolgte ausschließlich über Instagram und ­Facebook. Dabei bin ich gar nicht auf ­Facebook. Hamoudah sagt das fast entschuldigend. Eine Polizistin fragte uns während des Technikaufbaus, mit wie ­vielen Menschen wir rechnen. Und als wir sagten, dass wir auf 3.000 hoffen, ­lächelte sie milde. Seit dem Entschluss, etwas auf die Beine zu stellen, waren erst sechs Tage vergangen. Was dann an diesem 4. Juni 2020 geschah: Laut Polizeisprecher kamen alle zehn Minuten 5.000 weitere Menschen auf den Platz der Menschenrechte, bis es 50.000 waren. Hamoudah war überwältigt, brauchte einige Tage, um sich zu fangen. Seither ist er der Star der Aktivistenszene und gefragter Inter­viewpartner. Alle fragen ihn, wie es weitergeht. Natürlich auch ich. Er stöhnt und wirkt erschöpft. Ich will das alles nicht machen. Ich möchte mein Wirtschaftsstudium beginnen, arbeiten und am liebsten irgendwo eine Kolumne schreiben. 

Wir reden weiter über historische Denkmäler, die rassistische Kultur konservieren und weitertragen, über österreichische Integrationspolitik und das dumme Vorurteil, dass mehrsprachige Jugendliche automatisch schlecht Deutsch sprächen. Alle meine Freundinnen und Freunde mit Migra­tionshintergrund sprechen viel besser Deutsch als ihre Muttersprache. Nur der Vollständigkeit halber: Auch Hamoudahs Deutsch ist perfekt, wohingegen sein Arabisch – die Sprache seiner ­Eltern, die vor seiner Geburt aus dem Sudan nach Wien kamen – dem Niveau eines Zehnjährigen entspricht. Nicht, dass ich das je beurteilen könnte. Er selbst sagt das.

Egal, worüber wir reden, es gelingt mir nicht mehr so recht, mich auf das Gespräch zu konzentrieren. Etwas hat mich abgelenkt. Da fällt es mir wieder ein, und ich frage ihn, ob er ab der nächsten DATUM-Ausgabe nicht meinen Kolumnenplatz haben möchte. Hamoudahs Reaktion beschämt mich. Seine Freude und Aufregung ist so grenzenlos, als hätte man ihm kein größeres Geschenk machen können. Ab nun ist er es, der sich nicht mehr konzentrieren kann. Er kann nicht mehr still sitzen, möchte am liebsten alle seine Freunde anrufen. Also ­bre­­chen wir das Gespräch ab. Sie, liebe Leserinnen und Leser, werden ab der September-Ausgabe an dieser Stelle noch viel von Mugtaba Hamoudah lesen und lernen – freuen Sie sich da­rauf mit mir.

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