In der Heimat
Ja, wir leben in historischen Zeiten. Schon allein, weil sie vergehen werden und dann endlich Geschichte sind.
Ich sitze so rum und denk’ mir Überschriften aus, zum Beispiel: ›Pichowetz zu links für Mörbisch.‹ Überschriften müssen blöd sein und dennoch einen sachlichen Gehalt haben. Ich denke an Harald Irnberger, der als Chefredakteur des ›Extrablatts‹ (einer Art von linkem ›News‹), die fahrlässige Krida auf zwei Beinen war. Irnberger hatte den ›Kurier‹, für den er zuvor tätig war, im Hochsommer mit der lakonischen Schlagzeile: ›Heiß!!!‹ (oder so ähnlich) geschmückt. Der Mann musste ein eigenes Blatt gründen, um weitermachen zu können.
Aber auch Pichowetz geht mir nahe und auf die von den Seitenblicken gespannten Nerven. Ich bin auf seiner Seite: Da arbeitet er ein Programm für Mörbisch aus, um sich dort als Intendant ein paar Jahre wichtigmachen zu können. Von Georg Markus weiß ich, dass er mit der ›Frühjahrsparade‹ von Robert Stolz starten wollte, ein Werk von beinhartem Gegenwartsbezug: ›Es geht‹, so Markus, ›um ein ungarisches Mädel, das in eine für Kaiser Franz Joseph gebackene Semmel ein Brieferl schmuggelt, das ihrem Liebsten in seiner Karriere im Deutschmeister-Regiment helfen soll.‹
Ein Brieferl, ein Semmerl – was Besseres gibt’s doch nicht für burgenländische Operettenfestspiele. Das ist es, was Kunst und auch der Journalismus tut: Das rücksichtslose Herausarbeiten der Blödheit, die einer Gesellschaft immanent ist, und Pichowetz hätte sogar Otto Schenk beschäftigt. Überhaupt, bei ihm wäre ein ganzer Adabei-Artikel angestellt worden: Harald Serafin, Marianne Mendt, Karl Merkatz, Dorian Steidl, Franz Suhrada, Barbara Wussow, Albert Fortell, Daniela Fally …
Wörter: 2301
Lesezeit: ~ 13 Minuten
Diesen Artikel können Sie um € 1,50 komplett lesen
Wenn Sie bereits Printabonnentin oder Printabonnent unseres Magazins sind, können wir Ihnen gerne ein PDF dieses Artikels senden. Einfach ein kurzes Mail an office@datum.at schicken.