›Kinder sind die Königsdisziplin‹

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Fotografie:
Ursula Röck
DATUM Ausgabe Juli/August 2022

Name : Clemens Coudenhove-Kalergi, 51

Beruf : Fremdenführer/Guide 

 

Warum sind Sie Fremdenführer geworden?

Ich habe mich immer schon für Geschichte und Wien interessiert. Ich wollte nicht mehr den ganzen Tag vor dem Computer sitzen. Und ich bin ein Menschenfreund. Fremdenführer zu sein, hat das alles vereint.

Was ist der Unterschied zwischen einem Reiseleiter und einem Fremdenführer?

Ein Fremdenführer hat eine staatlich anerkannte Ausbildung und Prüfung absolviert und eine eigene Plakette, der Reiseleiter nicht. Wir sagen übrigens eher Guide, da die Begriffe ›Fremder‹ und ›Führer‹ nicht wirklich zeitgemäß erscheinen.

Wie läuft die Ausbildung zum Guide ab?

Ich musste viel Geschichte lernen: Kunst-, Stadt- und jüdische Geschichte, aber auch Staatskunde und Geografie. Der Intensivkurs dauerte neun Monate, und die Prüfung bestand aus drei Modulen: einem wirtschaftlichen Modul sowie einer mündlichen und einer praktischen Prüfung. Letztere besteht wiederum aus Innenführung, Außenführung und Bus-Führung. 

In welchen Sprachen führen Sie Leute durch die Stadt?

Deutsch und Englisch. 

Was tun Sie, wenn Sie etwas nicht wissen?

Es zugeben, eventuell recherchieren.

Was fordert Sie an Ihrem Beruf heraus?

Kinder sind die Königsdisziplin. Die Schlimmen bringen oft die ganze Gruppe durcheinander. Ich hatte neulich ein paar Mädels samt Müttern. Das war ein Krampf.

Gibt es Klischees über Reisende, die sich bestätigt haben? 

In manchen Gruppen weiß jemand viel und möchte sein Wissen weitergeben. Da schweige ich und lasse ihn ausreden. Meistens nervt das dann jemand anderen. Die Gruppe bringt solche Personen dann selbst zum Schweigen. (lacht) 

Existieren ungeschriebene Gesetze für die Arbeit als Guide?

Ja, dass man keine kurzen Hosen oder Sandalen tragen soll. Manche Kollegen ziehen bewusst Tracht an. Ich nicht. Und was ich auch nicht habe, ist ein Fähnchen. Die sieht man häufig bei den Gruppen von Kreuzfahrtschiffen. 

Wie viel verdienen Sie?

Von der Innung gibt es einen Mindestpreis. Das sind zum Beispiel 175 Euro netto bis drei Stunden beziehungsweise bis 25 Personen. Ich habe im Juli 2020 angefangen, mitten im Lockdown, und bin noch ziemlich am Anfang. Im Mai dieses Jahres habe ich knapp 2.000 Euro verdient. Aber es geht bergauf. 

Wann ist Hauptsaison?

Mai, Juni, September und Oktober sind die stärksten Monate. 

Wie war die Arbeit während der Lockdowns?

Ich musste draußen Maske tragen und durfte nur eine Familie führen. Das war mühsam. In dieser Zeit habe ich vor allem Österreicher geführt. Mittlerweile habe ich auch viele ausländische Touristen. 

Können Sie Wien noch sehen?

Ja, denn ich versuche vor jeder Führung mindestens zwei neue Dinge zu recherchieren, damit mir nicht langweilig wird. Ich kann eine Stunde am Hohen Markt stehen und Dinge erzählen, die garantiert kaum jemand weiß.

Was würden Sie einem Wiener in der Stadt Neues zeigen? 

Die Wiener Bezirksmuseen, sie werden großteils ehrenamtlich betreut und sind oft hochinteressant.

 

Zahlen & Fakten:

In Österreich gibt es 1.475 von ›austriaguides‹ zertifizierte Fremdenführer

75 Prozent der Fremdenführer sind Frauen, ein Viertel Männer

Die Ausbildung umfasst mindestens 250 Unterrichtsstunden und muss an einer gesetzlich anerkannten Schulungseinrichtung der Wirtschaftsförderungsinstitute der Wirtschaftskammern oder der Berufs-förderungsinstitute der Kammern für Arbeiter und Angestellte absolviert werden

Ein Fremdenführer muss mindestens eine Fremdsprache sprechen

Quellen: Stabsabteilung Statistik WKO,  Fachgruppe Freizeit und Sportbetriebe Wien

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