Lobby und Lektüre

Was Schulbücher vermitteln sollen, ist nicht nur permanent umstritten, sondern wird auch aufwendig kontrolliert. Trotzdem tauchen immer wieder fragwürdige Textpassagen auf.

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Illustration:
Nadine Hermann
DATUM Ausgabe September 2024

Mila, da musst du was falsch verstanden haben‹, sagt ihr Vater, als sie abends gemeinsam am Küchentisch sitzen. Es ist Ende Juni. Im Endspurt des Sommersemesters hilft er seiner 14-jährigen Tochter, AHS-Schülerin der 4. Klasse, bei der Vorbereitung auf den Geo-Test. Er prüft, sie antwortet. Nur diesmal will er nicht wissen, was auf ihren Zetteln steht, sondern warum. 

›Heute wird zwar demokratisch ­gewählt, doch die wirkliche Macht liegt in den Händen der Wirtschaft.‹
Sarah Wagenknecht

Es ist ein knackiges Zitat, aber eines, das Milas Vater doch irritiert. So stehe es in ihrem Geografie-Buch, sagt Mila. Also blättert ihr Vater auf Seite 53 des Schulbuchs ›Durchblick 4‹. Dort steht nicht nur das Zitat, es steht auch nicht allein. 

›Die Freiheit der Presse im Westen, wobei die viel besser ist als anderswo, ist letztlich die Freiheit von 200 reichen Leuten, ihre Meinung zu veröffentlichen.‹ 

Peter Scholl-Latour

Milas Vater staunt nicht schlecht. Er ist Textchef dieses Monatsmagazins und lernt nun aus dem Schulbuch seiner Tochter, dass sein Job darin besteht, die Meinung der Reichen zu verbreiten. Die Zitate werden im Buch nicht eingeordnet: Wer Sarah Wagenknecht und Peter Scholl-Latour sind, erfahren die Schüler nicht. Sie erhalten nur die Aufforderung, über eines von vier Zitaten auf der Doppelseite – die beiden anderen behandeln die Themen Wissensökonomie und Militär – zu diskutieren. 

Es ist nicht das erste Mal, dass Passagen aus Geografie-Büchern mehr Fragen als Antworten liefern. Als 2016 in einem Werk für die österreichische AHS-Oberstufe neben Karl Marx und Friedrich Hayek auch der Attac-Ökonom Christian Felber als Vertreter der wichtigsten Wirtschaftstheorien auftauchte, titelte die NZZ: ›Mit Attac-Ideologie im Schulbuch gegen den Neoliberalismus.‹ Bald darauf verschwand der Globalisierungskritiker wieder aus dem Werk. Die Industriellen-Vereinigung erteilte den österreichischen Schulbüchern in Sachen Wirtschaftsbildung unlängst überhaupt die Note ›Nicht genügend‹.

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Wörter: 2179

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