Mein Datum : 11. April 2011
Der grüne Ex-Nationalratsabgeordnete Karl Öllinger über die Verhaftung des Neonazis Gottfried Küssel.
Dieser Tag war einer der Höhepunkte meiner Bemühungen gegen Neonazismus und Rechtsextremismus. Durch meine Arbeit bei den Alternativen GewerkschafterInnen kam ich mit Zeitzeugen des Holocausts in Kontakt und wurde so gegenüber Antisemitismus sehr sensibel. Ich war schon als Parlamentarier immer die Ansprechperson, wenn es um Rechtsextremismus ging. So kam auch damals, 2009, jemand aus meinem Klub zu mir und zeigte mir die Seite Alpen-Donau.info. Alpen-Donau war eine klar neonazistische Seite mit zugangsbeschränktem Forum nur für registrierte Nutzer.
Aber schon auf der öffentlichen Website waren Aufru-fe zu kriminellen Handlungen, Drohungen und Gewalttaten gegenüber Linken oder antisemitische Postings zu lesen. Abschiedsfloskeln wie › Heil Hitler ‹ waren keine Seltenheit.
Meine Mitarbeiter und ich beobachteten die Seite, um herauszufinden, wer dahinter stand. Uns berichtete auch eine Person aus dem internen Forum. Sie ließ uns Screenshots von den Unterhaltungen zukommen, und wir haben sie analysiert. Durch ein bestimmtes Ritual konnten wir einige Identitäten erkennen: Jedes neue Mitglied des internen Forums verfasste als erstes einen Vorstellungspost.
In diesem wurde zwar nicht explizit die Identität preisgegeben, aber oft doch bestimmte persönliche Informationen, die wir im Verlauf der Recherchen zuordnen konnten. Durch den Insider im Forum und unsere Schlussfolgerungen kamen wir dann nach und nach auf Verbindungen zur FPÖ und Gottfried Küssel. Das war sehr viel Aufwand und Netzwerkarbeit zwischen mir, meinen Mitarbeitern, Institutionen wie dem Dokumentationsarchiv und manchen Journalisten.
2010 nahm der Verfassungsschutz Ermittlungen gegen Alpen-Donau auf. Als Küssel am 11. April 2011 endlich verhaftet wurde, war das eine Befreiung für mich. Ich habe gejubelt. Es war ein Zeichen, dass Neonazismus und Antisemitismus in so einem Ausmaß in Österreich nicht toleriert wird. Doch es war leider wie mit den Köpfen der Hydra: Man schlägt einen ab, und es wachsen gleich wieder drei nach. Küssel ist nach sieben Jahren Haft heute in den ersten Reihen der Coronaleugner-Demonstrationen zu sehen, in der ›Querfront‹. Er nutzt die Öffentlichkeit, um sich in den Medien immer wieder in Erinnerung zu rufen.
Erstaunlich ist auch, wie wenig es manche Menschen stört, dass sie da an der Seite von Neonazis demonstrieren. Sogar politische Funktionäre gehen mit. So etwas geht nur in Österreich. •
Zur Person:
Karl Öllinger war von 1994 bis 2013 Nationalratsabgeordneter der Grünen, jetzt ist er Arbeiterkammerrat der grün-unabhängigen Gewerkschaft. Auf stopptdierechten.at berichtet er seit 2010 über Rechtsextremismus und Neonazismus in Österreich.
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