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›Neun Wochen sind nicht mehr zeitgemäß‹

Wie viel Pause brauchen Kinder im Sommer? Was sollten sie in dieser Zeit tun? Und wie lässt sich das mit den Urlaubsansprüchen ihrer Eltern in Einklang bringen? Ein Gespräch mit der Grazer Bildungsforscherin Manuela Paechter.

DATUM Ausgabe Juli/August 2023

Manuela Paechter gehört zu den wenigen Bildungsforscherinnen in Europa, die die Auswirkungen von Ferien auf den Lernstand von Schülerinnen und Schülern untersucht haben. Sie wollte wissen, wie sich deren Lesekompetenz, die Rechtschreibung sowie das rechnerische und das logische Denken über den Sommer entwickeln. Dazu hat sie 2015 gemeinsam mit Kolleginnen und Kollegen der Grazer Karl-Franzens-Universität zehn- bis zwölfjährige Kinder, die verschiedene Schultypen besuchen, drei Mal hintereinander getestet: zu Schulschluss, zu Schulbeginn – und neun Wochen nach Schulbeginn.

Frau Professor Paechter, der neuseeländische Bildungs­forscher John Hattie hat monatelange Ferien, wie sie demnächst auch wieder hierzulande beginnen, in seiner weltweit beachteten Schulstudie ›Lernen sichtbar machen‹ 2009 als ›lernschädlich‹ bezeichnet. Sind Sie in Ihrer Untersuchung zu demselben Schluss gekommen?

Nein, wir haben zum Glück nur kleine Unterschiede im Lernstand gefunden. Und zwar vor allem beim Rechtschreiben und beim rechnerischen Denken. Und selbst diese geringen Effekte haben die meisten Kinder bis zur dritten Testung, also nach neun Wochen regulärem Unterricht, auch wieder aufgeholt. Beim Lesen haben wir überhaupt keine kognitiven Verluste festgestellt.  Gerade von den Mädchen sind viele im Lesen über die Ferien sogar besser geworden.  Es kommt bei den Ferien auf mehr an als die Länge, etwa welche Aktivitäten Kinder in den Ferien ausüben, womit sie sich beschäftigen.

Ist der ›Summer Learning Loss‹ also einfach nur ein Mythos?

Nein, aber die Ferieneffekte sind von Land zu Land sehr unterschiedlich. In den USA zum Beispiel, wo das Phänomen im Unterschied zu Europa sehr intensiv untersucht wird, führen die Sommerferien tatsächlich dazu, dass die Unterschiede in den kognitiven Fähigkeiten der Kinder zunehmen. Das liegt daran, dass die Ferien dort noch länger sind als bei uns – und die sozialen Unterschiede deutlich größer. Manche Familien können es sich leisten, ihre Kinder in der schulfreien Zeit massiv zu fördern, beispielsweise über großzügig ausgestattete Sommercamps, andere eben nicht. Studien zeigen auch, dass ein Teil der Kinder deutlich mehr Zeit vor dem Fernseher oder anderen Bildschirmen verbringt – und weniger mit erwachsenen Personen kommuniziert. Und die Unterschiede, die dadurch entstehen, sind so groß, dass sie die Schulen während der Schulzeit nicht mehr ausgleichen können. So driften die Kenntnisse der gut und der schlecht geförderten Kinder im Laufe der Schulzeit immer weiter auseinander.

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