Es gibt zwei Arten von Menschen. Jene, die sich auf das Unbekannte freuen und jene, die sich davor fürchten. Wenn Sie zu Letzteren zählen, muss ich Sie davor warnen, dass Sie publizistisch hier genau das erwartet. Eine Kolumne ohne Titel. Sie bekommen keine sprachwitzige Ouvertüre, die Sie darin bestärken wird, weiterzulesen oder weiterzublättern, auch keine Doppeldeutigkeit, die trotzdem eindeutig genug ist, um Ihnen den Komfort einer intellektuellen Schublade zu bieten.
Nichts dergleichen, nur mein Name. Simpel, na ja, so simpel es nun einmal sein kann in einem Land mit begrenzter Sprachbegabung einen Namen wie meinen ohne Eselsbrücken und Verkürzungsformen zu lesen, geschweige denn auszusprechen.
Der eigene Name war schon immer ein Politikum. Ob fremd- oder selbstbestimmt, der Name ist immer ein Statement, eine Markierung, mancherorts gar eine Diagnose. Sich zu benennen heißt, sich zu bekennen, mit allem, was dazugehört. Lange Zeit haben sich Autorinnen hinter Pseudonymen, zumeist männlichen, versteckt, um entweder überhaupt publizieren zu dürfen, oder um sich zu befreien, von all den Zuschreibungen, die einem weiblichen Namen so anhaften können.
Egal ob die englischen Bronté-Schwestern, die französische Romanciere Amantine Lucile Aurore Dupin aka George Sand, oder die afroamerikanische Literatin Ann Petry als Arnold Petry. Sie alle nutzten das Versteckspiel als Akt der Ermächtigung. Werk vor Künstlerin war die Devise. Dafür nahm man schon ein wenig literarische Camouflage in Kauf.
Andere konnten sich nicht verstecken. Sie hatten keine Wahl. Sie wurden benannt. › Sara ‹ und › Israel ‹. So mussten sich alle Jüdinnen und Juden in Deutschland 1938 nennen, die keine › jüdisch klingenden ‹ Vornamen hatten. Und jene, die ihren Familiennamen geändert hatten, um ihrer Markierung zu entgehen, wurden von den Nazis gezwungen, ihren alten Namen wieder anzunehmen.
Auch im Bulgarien der 80er-Jahre verstand das kommunistische Regime die Macht der Namenspolitik. In der Aktion › Wiedergeburt ‹ wurden Angehörige der türkischen Minderheit gezwungen, ihre Namen zu › bulgarisieren ‹, und zwar auch rückwirkend auf mehrere Generationen bis zum eigenen Großvater. Offiziell war von freiwilliger Assimilation die Rede, eine Rückbesinnung auf die bulgarischen Wurzeln, nicht die symbolische Auslöschung einer Ethnie.
Doch es bedarf nicht immer eines externen Terrorregimes, um namentlich markiert, gar ausgelöscht zu werden. Mancherorts wirkt es intern, in den eigenen Köpfen, und täuscht damit vor, auf freiem Willen zu beruhen. Etwa überall dort, wo Eltern sich überlegen, vielleicht doch einen › klassischen‹ Namen für die Kinder zu wählen, damit ihr Nachwuchs nicht so viel Identität mit sich herumschleppen muss. Aus Kalkül wurde so entschieden, aus freien Stücken, nicht aus Zwang, sich anzupassen. Gerne werden derartige Entscheidungen auch romantisiert.
Insbesondere am Standesamt. Jahr für Jahr geben Frauen nach wie vor ihren Namen auf, um stattdessen jenen einer anderen Person anzunehmen. Im Namen der Liebe, sagen sie. Im Namen der Liebe löschen sie ihren eigenen Namen.
Ja, so etwas Simples wie der eigene Name kann ein ziemliches Fass aufmachen. Obwohl es also auf den ersten Blick nach Narzissmus aussieht – und als Angehörige einer Branche, die davon durchtränkt ist, bin auch ich nicht davor gefeit – sind die Motive meiner titellosen Kolumne weniger egomanischer als puristischer Natur. Daher › nur ‹ Solmaz Khorsand , nicht mehr und nicht weniger. Willkommen. •