Schneiden, aber richtig
Niemand mag zu viel Bürokratie. Warum ist Deregulierung dann so verdammt heikel?
Gespräche im dritten Jahr der längsten Rezession seit dem Zweiten Weltkrieg: Ein Bäcker in einer österreichischen Stadt, der erzählt, dass er davon abgesehen hat, im Nebengebäude eine kleine Konditorei zu eröffnen – weil das vorgeschriebene Lüftungssystem für die Verarbeitung von einer Handvoll Äpfeln und Bananen am Tag 25.000 Euro extra gekostet hätte; einfach kurz das Fenster zu öffnen, wäre für die Behörde keine Option gewesen, der Nachbarn wegen.
Ein Gemeinderat einer niederösterreichischen Kleinstadt berichtet, sein Ort lasse jetzt die historische Allee entlang der Ortseinfahrt schlägern; die ständigen Kontrollen, die die Haftungsregeln für Bäume im öffentlichen Gut notwendig machen, könne sich die 2.000-Einwohner-Gemeinde einfach nicht mehr leisten.
Eine Nebenerwerbs-Landwirtin seufzt: Sie würde auf einer ihrer Wiesen gern eine größere PV-Anlage errichten – der Netzbetreiber wäre dabei, aber ohne Umwidmung im Gemeinderat habe sie dafür keine Chance.
Drei Beispiele, die ihre Namen aus unterschiedlichen Gründen nicht in die Öffentlichkeit tragen wollen – die aber den Eindruck verfestigen, den inzwischen viele in diesem Land zu haben scheinen: dass sich die Republik mit ihrer Regelungsdichte inzwischen oft, zu oft selbst im Weg steht. Das ist keine Minderheitenmeinung mehr – sondern weitgehend Konsens unter allen Parteien, auch jenen, die seit Jahrzehnten in diversen Regierungen sitzen. Schon acht Jahre bevor die Neos mit dem streitbaren Hotelier Josef Schellhorn einen ›Deregulierungsstaatssekretär‹ in ihr Regierungsteam genommen haben – im Außenministerium, aus politischen Rücksichten – zog in der türkis-blauen Koalition unter Sebastian Kurz und Heinz-Christian Strache der ehemalige Rechnungshof-Präsident Josef Moser als Minister für ›Verfassung, Reformen, Deregulierung und Justiz‹ in die Bundesregierung ein.

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