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Vertraute Fremde

Warum georgische Küche voll im Trend liegt.

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Illustration:
Blagovesta Bakardjieva
DATUM Ausgabe Juni 2023

Wer alles schon gesehen und getrunken, alles schon bereist und gegessen, alles schon gefeiert und Wiens provinzielle Enge insgesamt eher satt hat, der freut sich über jeden Anflug von kosmopolitischem Flair in unserer größeren Stadt an der Donau. Was ist es? Ist es die Midlife-Crisis, ist es das pandemiebedingte Daheimbleiben-Müssen, ist es bürgerlicher Ennui, ist es die letzte hedonistische Genusssucht, bevor die Welt eh demnächst untergeht? Ist es die uns alle treibende Konsumgesellschaft oder die Dauer-Mobilität des 21. Jahrhunderts? Jedenfalls: Wir sitzen auf Nadeln, was Neues muss her. Sonst fällt einem in unserem halbwegs gemütlichen, aber recht biederen Heim die Decke auf den Kopf.

Recht neu in Wien sind ein, zwei georgische Lokale. Das Gute an Georgien ist, dass es für etwas steht, das man als Österreicher liebgewonnen hat (Berge! Mittelmeer-mäßiges Meer! Wein!), aber noch exotisch genug ist, um interessant zu bleiben. Kaukasus, wer war da schon jemals? Es muss wie Europa sein, aber Asien, wie ein mediterranes Russland, aber auch wie die Türkei, es muss ein fremd-vertrautes Alles sein. Und nichts lieben Kosmopoliten mehr, als etwas, das sie noch nicht kennen, aber dann irgendwie doch. Ein sicheres Pferd, auf dem man Neues erkunden kann.

Praktisch ist auch, dass die georgische Küche nahtlos an Yotam Ottolenghis längst vollzogenen Vormarsch der levantinischen Neo-Gemüseküche anschließen kann. Das eher höherpreisige Restaurant MODI 1080 in der Wiener Josefstadt kredenzt beispielsweise Melanzani-Röllchen mit Granatapfel, Salate mit Sesam und Heidelbeere, Rindfleisch-Walnuss-Safran-Eintopf, Khatchapuri (ein schön fettig mit Käse gefülltes Brot) oder ein (fast ein bisschen zu fettiges) Brathuhn in Knoblauch-Oberssauce. Schmeckt neu und toll!

Wer es weniger üppig, aber trotzdem noch sehr sättigend will, geht zum Streetfood bei Crazy Khinkali in 1060, wo es die gleichnamigen Teigtaschen mit saftiger Fleisch-, Käse- und Kartoffelfüllung gibt. Traditionell nimmt man diese Dim-Sum-ähnlichen Nudelungetüme in die Hand und schlürft die Füllung raus. Herrlich, und ein bisschen verboten, mit den Händen essen! Das macht nicht nur die Speisen selbst, sondern die ganze Experience doppelt spannend, weil eben: bekannt unbekannt, wie ein kleiner Urlaub in ein wohlschmeckendes Fernweh. •

 

MODI 1080 · Alser Straße 11 · 1080 Wien | Crazy Khinkali · Hofmühlgasse 18 · 1060 Wien