Welche Zukunft hat die ÖVP?

Das hat datum den ÖVP-Europa-Abgeordneten Lukas Mandl, die Innenpolitik-Journalistin Barbara Tóth und den Politikwissenschaftler Fabio Wolkenstein gefragt. Ein Gespräch über den Umgang mit großen Traditionen, erstarkten Rechten und den langen Schatten von Sebastian Kurz.

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Fotografie:
Ela Angerer
DATUM Ausgabe Oktober 2023

Wir sitzen hier im ehemaligen Büro von Leopold Figl, Mitbegründer der Österreichischen Volkspartei nach dem Zweiten Weltkrieg. In seiner Weihnachts­ansprache als erster Bundeskanzler der Zweiten Republik soll er inmitten der größten Not und Armut die Bitte geäußert haben: ›Glaubt an dieses Österreich‹. Diesen Satz holt der heutige ÖVP-Chef und Bundeskanzler, Karl Nehammer, ins Zentrum seiner politischen Kommunikation. Ist das eine adäquate historische Referenz?

Lukas Mandl: Mich berührt und motiviert dieser Satz sehr. Ich finde auch, dass er sehr gut zu Bundeskanzler Nehammer passt, weil man bei ihm spürt, dass es ihm eine Ehre ist, der Republik zu dienen.

Barbara Tóth: Als politische Beobachterin sehe ich das eigentlich vor allem als untrügliches Zeichen dafür, dass wir uns schon im Wahlkampf für die nächste Nationalratswahl befinden. Die FPÖ führt in allen Umfragen, ihr Chef Herbert Kickl stilisiert sich als ›Volkskanzler‹ , und die Frage ist, wer sein Gegner in einem ›Kanzler-Duell‹  sein wird: SPÖ-Chef Andreas Babler oder eben Karl Nehammer. Mit der Verwendung des Figl-Zitats positioniert sich Nehammer als redlicher Landesvater, der auf das Land und seine Bevölkerung schaut. Ich halte das für eine kluge wahlstrategische Weichenstellung.

Fabio Wolkenstein: Es stimmt ganz sicher, dass sich Nehammer hier als geschichtsbewusst und in einer großen Tradition stehend positionieren möchte. Aber man sollte aufpassen, dass man es nicht übermäßig kontextualisiert, denn vielen ist der historische Zusammenhang von Figls Ausspruch gar nicht bewusst. In erster Linie ist es ein Satz, der ermutigend klingt. Die Situation, in der sich christdemokratische Parteien heute wiederfinden, ist natürlich nicht ansatzweise vergleichbar mit der Zeit Figls. 

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