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Wie es ist … Fettleibigkeit mit Ozempic zu behandeln

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Fotografie:
Alexander Jürets
DATUM Ausgabe April 2023

Eine Behandlung ist immer multidisziplinär. Zwar gibt es Diäten wie Sand am Meer, aber einfach weniger Essen und mehr Bewegung zu verschreiben, ist wie einem Menschen mit Depressionen zu sagen: ›Lachen S’ doch einfach öfter.‹ Wäre es so leicht, hätten wir nicht die Zahlen, die wir jetzt haben. Daten der österreichischen Stellungskommission zeigen, dass sich die Anzahl der Österreicher mit höhergradiger Adipositas von 2003 bis 2018 verdoppelt hat.

Wenn ich therapiere, setze ich trotzdem zuerst bei Essen und Bewegung an. Die Ernährung sollte konsequent sein und dabei Kalorien reduzieren. Bei der Bewegung zählt jeder Schritt. Das Magenband ist Schnee von gestern, aber Operationen zur Gewichtsreduktion sind immer noch am effizientesten.

Seit Kurzem ist die medikamentöse Therapie wieder in aller Munde. Ozempic und Wegovy sind gerade die wirksamsten erhältlichen­ Medikamente zur Gewichtsreduktion. Sie rufen ein ­Sättigungsgefühl hervor, durchschnittlich verlieren ­Patienten so nach einem Jahr 17 Prozent ihres Gewichts. Vor allem in Sozialen Medien gibt es einen Hype um die Medikamente. Moderator Jimmy Kimmel hat Ozempic sogar bei den Oscars erwähnt.

Ich behandle auch mit Ozempic, bevorzuge aber, es beim Wirkstoff zu nennen: Semaglutid. Es wird wie bei einer Insulin-Therapie in Bauch oder Oberschenkel gespritzt. Bevor die Patienten das eigenständig machen können, werden sie von mir oder meinem Team eingeschult. Wenn die Wirkung da ist, der Patient Gewicht verliert, dann läuft die Therapie de facto open end.

Dass sich in den USA vor allem Promis ohne erkennbare Indikation Semaglutid spritzen, nur um schnell und einfach abzunehmen, ist eine missbräuchliche Verwendung des Medikaments und ganz klar abzulehnen. Ich habe auch Patientinnen, die mich anrufen und sagen: ›Ich würde gerne vier Kilo abnehmen.‹ Und ich sage: ›Ja, ich auch! Aber weder nehme ich Ozempic, noch verschreibe ich es Ihnen indikationslos.‹ Da geht es nur um Körperkult, und in letzter Konsequenz führt das zur Knappheit des Medikaments.

Studien zeigen, dass Patienten auch bei Semaglutid-Therapien noch vom Jo-Jo-Effekt betroffen sind. Ein Jahr nach Absetzen des Medikaments haben sie durchschnittlich 10 Prozent ihres Gewichts wieder zugenommen. Nach längerer Therapie scheint sich das Essverhalten aber nachhaltiger einzupendeln. Nur: Eine Studie bedeutet noch keinen Frühling, es ist also noch recht spekulativ. Mit meinen Patienten halte ich es so, dass sie bei Erreichen ihrer Ziele das Medikament absetzen und bei Bedarf wieder verschrieben bekommen.

Ich hoffe ja, dass die Debatte die Gesellschaft zum Umdenken bringt. Viele Menschen, bei denen trotz jahrelanger Versuche nichts ging, merken jetzt mit Semaglutid, dass das Abnehmen auf einmal ›automatisch‹ funktioniert. Hunger ist eben nicht so bewusst beeinflussbar, wie man denkt.

Dass manche glauben, in Zukunft werde jeder Ozempic nehmen, das gehört eben zum Hype dazu. Der Schlankheitswahn ist eher problematisch. Ich habe auch Patienten, die gar nicht abnehmen wollen, die sich gut in ihrem Körper fühlen. Die kommen dann wie zu einer Vorsorgeuntersuchung zu mir und klären ­etwaige Risikofaktoren ab. Das geht eher in Richtung Body Neutrality und gehört respektiert. •

Zur Person:

Bianca Itariu (39) ist ehemalige Leiterin der internistischen Adipositas-Ambulanz im AKH Wien. In ihrer Praxis therapiert sie Betroffene mit Semaglutid, das unter den Handelsnamen Ozempic und Wegovy weltweit Schlagzeilen macht.

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