Wie es ist … russische Propagandisten zu trollen
Als der Ukraine-Krieg am 24. Februar ausbrach, fühlt ich mich völlig machtlos. Den ersten Tag über weinte ich vor Verzweiflung, denn ich konnte nichts unternehmen. Ich klickte und scrollte durch die Live-Ticker des Standard. Jede Information zum Krieg, die ich fand, sog ich auf.
Um mich besser über die Kampfhandlungen in der Ukraine zu informieren, legte ich bald einen Twitter-Account an. Dort stieß ich im Mai schließlich auf die ›North Atlantic Fellas Organization‹, kurz NAFO. Der Name ist angelehnt an das Militärbündnis NATO, nur wurde das T mit einem F ersetzt. ›Fella‹ werden brave Hunde genannt, und es bezieht sich auf die Hunderasse Shiba Inu. Sie ist vor allem durch Memes im Internet bekannt. Ein Künstler namens Kama begann Fotos dieser Hunde mit ukrainischen Symbolen zu vermischen. Er erstellte also Hunde-Avatare.
Kurz darauf bat die georgische Legion, eine freiwillige Militäreinheit, die in der Ukraine kämpft, um Spenden. Sie mussten Nachtsichtbrillen und Schutzplatten für schusssichere Westen kaufen. Um Geld zu sammeln, begann Kama, diese Hunde-Avatare für Leute zu entwerfen, die an die georgische Legion gespendet hatten. Mit der Zeit entstand daraus eine Art inoffizielle Internet-Armee, und so kam auch ich zur NAFO. Mindestens 250.000 Dollar haben wir mittlerweile gesammelt. Heute verbringe ich als Mitglied sicher drei Stunden am Tag auf Twitter.
Wir spenden allerdings nicht nur Geld für Soldaten in der Ukraine. Einen Großteil unserer Zeit trollen wir russische Propaganda-Accounts und enttarnen deren Falschmeldungen. Im Juni haben wir zum Beispiel den Ständigen Vertreter Russlands bei den internationalen Organisationen in Wien hier in Österreich dazu gebracht, eine Woche lang sein Twitter-Profil nicht mehr zu benutzen. Ein paar unserer ›Fellas‹ machen pro-ukrainische Memes. Andere haben sich auf Fakten-Checken spezialisiert. Deren gesammelte Informationen und erstellten Memes haben wir unter die Tweets des Botschafters gepostet, bis nichts anderes mehr sichtbar war.
An sich ist die NAFO aber lose organisiert. Wir haben Kanäle auf der Chat-Plattform ›Discord‹, in denen einige von uns sich vernetzen. Mit ein paar Leuten habe ich bereits Freundschaften geschlossen, darunter sind auch Menschen aus der Ukraine. Insgesamt sind wir zwischen 3.000 und 5.000 Mitglieder – alle unterschiedlich stark aktiv. Aber wenn jemand einen Artikel 5 ausruft, also um breite Unterstützung beim Trollen eines Accounts bittet, dann helfen wir alle zusammen und fluten die Kommentare.
So können wir von unseren Handys und Rechnern aus ein klein wenig mithelfen, damit die Ukraine diesen Krieg gewinnt. Die NAFO hat mir wieder ein Stück Kontrolle über die Situation zurückgegeben. Natürlich stelle ich mich nicht einmal ansatzweise auf eine Ebene mit den Soldaten an der Front. Aber vielleicht haben meine Spenden geholfen, einem von ihnen das Leben zu retten. Darauf bin ich stolz.
Scaniaha (35) heißt eigentlich anders, es handelt sich hierbei um ihren Twitter-Namen. Wir verbergen ihre Identität, da NAFO-Mitglieder regelmäßig von Russland-Sympathisanten gedoxt, also digital verfolgt, werden. Scaniaha kommt aus dem Weinviertel und arbeitet eigentlich in der Technikabteilung eines Unternehmens. Nebenbei trollt sie als Mitglied der NAFO die russische Propaganda-Maschine auf Twitter und sammelt Geld für Soldaten in der Ukraine.