Wie es ist … wenn der Kettenvertrag in der Antarktis reißt

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Fotografie:
Klemens Weisleitner
DATUM Ausgabe Februar 2024

Ich bin letztes Jahr im Oktober mein viertes Mal in die Antarktis gereist. Als Polarforscher an der Universität Innsbruck lag mein Themenschwerpunkt darauf, das Leben in Eis und Schnee zu erforschen. In der Antarktis wollte ich untersuchen, wie sich zum Beispiel Pestizide auf das Ökosystem in Gletschern auswirken. Das ist wichtig, weil wir bisher kaum verstehen, wie wir Menschen das Leben dort beeinflussen. Doch noch während meiner Expedition hat die Universität mit einem Schreiben meine akademische Karriere beendet. 

Ich war schon mehrere Wochen vor Ort und gerade dabei, im Camp-Labor einen Teil meiner Proben zu untersuchen. Ich hatte vor meiner Reise zwar ein schlechtes Gefühl, weil mir die Universität schon 6 Monate lang eine Antwort über meine Zukunft an der Uni schuldig geblieben war. Dass die Universität aber währenddessen meinen Vertrag beenden würde, hätte ich nicht gedacht.
Als von der Uni dann via Starlink-Netz die Mitteilung kam, dass mein Vertrag nicht mehr verlängert wird und ich meine hier genommenen Proben nicht mehr im Labor in Österreich werde auswerten können, war ich fassungslos. Ich stand irgendwo in der Antarktis und hatte auf einmal keinen Grund mehr, dort zu sein.

Meine Chefin, die auch mit mir in die Antarktis gereist ist, hat daraufhin mit der Rektorin gezoomt. Aus der Uni hieß es dann, dass ihnen die Hände gebunden seien. Denn würden sie mich entfristen und damit fest anstellen, würden sie für andere Leute einen Präzedenzfall schaffen. 

Das ist das Problem mit der Kettenvertragsregel. Man hängt uns Forschern wie einem Esel die Karotte vor die Nase. Auch mir wurde jahrelang gesagt, ›es wird sich schon was ergeben‹. 

Meine restliche Zeit in der Antarktis verbrachte ich damit, meiner Chefin bei ihren Projekten zu helfen. Die Proben, die ich für meine Arbeit bereits gesammelt hatte, waren ohne Laborplatz in Innsbruck wertlos. Und ich war auf Kosten des Steuerzahlers dort. Isoliert zu sagen, wie teuer diese Reise war, ist schwer, aber in Summe hat der Staat über die letzten Jahre mehrere Millionen in meine Ausbildung und meine bisherigen Forschungen gesteckt. Mit dem Ende meiner Karriere geht auch mein angesammeltes Wissen dem Forschungsbetrieb verloren.

Denn das neue Universitätsgesetz war eine Verschlimmbesserung. Die Dauer der Kettenverträge ist jetzt länger, wird man nach acht Jahren aber nicht verlängert, ist man lebenslang an der jeweiligen Uni gesperrt. Das ist jetzt auch bei mir der Fall. Meine spezielle Forschungsrichtung, die Ökologie in Eis und Schnee, gibt es aber innerhalb Österreichs nur in Innsbruck. 

Seit 19. Dezember bin ich jetzt wieder in Österreich.­ ­Vorerst muss ich einmal vier Wochen Urlaub abbauen, weil die Universität sie mir nicht ausbezahlen möchte. Außerdem werde ich mich an die ­Arbeiterkammer wenden. Ich habe schon 2021 angefangen, mir ein zweites Standbein als Fotograf für Wissenschaftskommunikation aufzubauen. Damit stehe ich aber noch am absoluten Anfang.

Ironischerweise stellt das Naturhistorische Museum derzeit meine wissenschaft­liche Arbeit in einer Sonderausstellung zum Thema Arktis aus. Die Forschung, die ich ­betreibe, ist also museumswürdig, aber im akademischen Betrieb Österreichs hat sie keinen Platz. •

Klemens Weisleitner (35) ist Polarforscher aus Tirol. Er hat sich an der Universität Innsbruck mit der Ökologie von Gletschern und anderen eisigen Lebensräumen beschäftigt.

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