Wie es ist … Wohnräume im Weltall zu entwerfen

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Fotografie:
Bruno Stubenrauch for Liquifer Systems Group
DATUM Ausgabe Juni 2023

Als Kind wollte ich Astronaut werden. Das Leben nimmt dann oft andere Wendungen, aber während meines Architekturstudiums durfte ich bei der Europäischen Weltraumorganisation am Entwurf einer Mondbasis mitarbeiten, so bin ich bei der Space-Architektur gelandet. Heute ­designe ich Weltraum-­Habitate, also bewohnbare Infrastruktur im Weltraum. 

Die größte Herausforderung bei der Entwicklung von Wohnstätten im All ist immer der Platz: Das Zeug muss ja alles erst einmal mit Raketen dorthin gebracht werden. Deshalb arbeiten wir mit sehr leichten Materialien, mit aufblasbaren Elementen oder Faltsystemen. Wenn ich eine Schlafkoje nur für ein Drittel des Tages brauche, wird der Raum in der restlichen Zeit anders verwendet.

Astronauten kämpfen im All mit verschiedenen Herausforderungen. Wegen der Schwerelosigkeit müssen sie sich ständig fixieren, um nicht davonzufliegen. Das Tippen auf einer Tastatur reicht, um sich durch den Druck abzustoßen. Deshalb planen wir an vielen Orten in den Habitaten Halterungen, wo sich Astronauten mit den Füßen einhaken und fixieren können.

Die ­soziale Isolation ist ebenso ein großes Thema. Auf der ISS haben Astronauten einen sehr durchgetakteten Arbeitsalltag, aber zumindest einmal am Tag isst die Crew miteinander. Dafür braucht es keine Stühle, nur einen Tisch, auf dem wiederum Dinge fixiert werden können, weil ihnen sonst die­ Astronautennahrung um die Ohren fliegt. 

Müssen Astronauten auf die Toilette, funktioniert das wie ein Staubsauger mit unterschiedlichen Aufsätzen für Männer und Frauen. Aus dem Urin wird wieder Trinkwasser gewonnen. 

Astronauten erleben durch die fehlende Schwerkraft schnell Muskelschwund. Deswegen muss es in Habitaten Trainingsmöglichkeiten geben, die man zum Beispiel mit Seilzügen ausstattet. In der Schwerelosigkeit ist die natürliche Körperhaltung nicht gerade, sondern eher wie unter ­Wasser. Wenn die Schlafsäcke ganz gerade sind, kann das bei manchen Astronauten Rückenprobleme verursachen, daher haben wir einen Schlafsack entwickelt, der der Embryonalhaltung nachempfunden ist.

Ich erlebe ständig Aha-Momente. Als Architekt freue ich mich, dass ich mich endlich nicht mehr an die Gesetze der Schwerkraft halten muss. Aber die Realität holt einen sprichwörtlich wieder auf den Boden der Tatsachen. Es ist nicht angenehm, wenn das Licht von allen Seiten kommt. Deshalb gibt es dann doch wieder ein ›Oben‹ und ein ›Unten‹, das zum Beispiel über Farbleitsysteme funktioniert. Der Boden ist grün, die Decke ist blau. Wohnstätten im All haben übrigens kaum Fenster, weil diese sehr schwer sind. Man sieht also selten hinaus. 

Wir bauen naturgetreue Mockups der Habitate auf der Erde, aber uns fehlt die Möglichkeit, diese in der Schwerelosigkeit zu testen. Es gibt einen Fallturm in Bremen oder sogenannte ­Parabelflüge, aber in beiden Fällen kann man Dinge nur ganz kurz testen. Ob alles passt, weiß ich erst, wenn die Astronauten aus dem All berichten. •

 

Zur Person:

René Waclavicek ist Space Architekt und designt Weltraumwohnstätten für Astronauten. Zurzeit arbeitet er am Habitat I-HAB des Lunar Orbital Platform-Gateway, von dem aus Astronauten den Mond beforschen sollen.