Wie kann eine Stadt nachhaltig werden?
Amsterdam hat sich vor mehr als einem Jahr dem alternativen Wirtschaftsmodell der ›Donut-Ökonomie‹ verschrieben. Zeit für eine erste Bilanz.
Wenn man am Hafen steht, kann man die Revolution noch nicht sehen. Dort schiebt sich ein großes Frachtschiff langsam an den Pier: Es bringt tausende Tonnen Kohle aus Kolumbien. Mehr als 11.000 Kilometer ist es dafür über das Meer gefahren. Von hier, von Amsterdam aus, wird die Kohle verladen und weiter in andere europäische Länder geliefert.
Dabei hat Amsterdam groß angekündigt, sich einem neuen Wirtschaftsmodell zu verschreiben. Die Inspiration dazu: ein Donut. Die Idee kommt von der britischen Ökonomin Kate Raworth, die sie einmal in ihr Notizbuch gekritzelt hat und schließlich daraus einen Bestseller machte: Die Donut-Ökonomie. Raworth sucht nach Antworten auf die vielen sozialen und ökologischen Krisen der Welt – die Klimakrise, das Artensterben, die Armut, die Ausbeutung. Und sie stellt eine Metapher auf, die zwar recht willkürlich, aber doch wirkungsvoll ist: Wirtschaften müsse sich innerhalb eines ›Donuts‹, zwischen sozialen Mindeststandards und planetaren Grenzen abspielen – ohne dabei ins Loch des Donuts zu fallen oder über seine Ränder hinauszuschießen. Immer mehr Städte weltweit schließen sich der Suche nach Möglichkeiten, das zu tun, an – vor über einem Jahr auch Amsterdam.
Raworths Idee soll die Revolution einleiten. Deshalb soll ab 2030 hier keine Kohle mehr verladen werden. Die Zahlen sinken bereits: Während 2019 noch 15,6 Millionen Tonnen Kohle in Amsterdam landeten, war es 2020 weniger als die Hälfte. Kann das aber auch abseits der Kohle gelingen? In einer Stadt, die auf so großem Fuß lebt wie die niederländische Hauptstadt? Mit ihrem Konsum, ihrem Massentourismus, ihren hohen Mieten, ihren vielen co2-Emissionen?
Irgendwo muss man anfangen, sagt James Hallworth, ein Manager der Hafengesellschaft Amsterdam, der uns durch das riesige Hafenareal führt. 45, Brite, seit über 20 Jahren in der niederländischen Hauptstadt. ›Nirgends sieht man so deutlich, wie viel eine Gesellschaft konsumiert. Der Hafen hält uns einen Spiegel vor‹, meint Hallworth. Neben der Kohle werden da Kakaobohnen und andere Nahrungsmittel geliefert, Baumaterialien werden verladen, aber genauso auch Erdöl und Düngemittel.
Hallworths Job im Hafen ist es, genau das zu ändern, ihn nachhaltiger zu machen. Genauer: die Kreislaufwirtschaft anzukurbeln. Dazu hat der Hafen in den vergangenen Jahren große Recyclinganlagen eingerichtet – für Plastik, Autoreifen oder den Kunstrasen von Fußballfeldern. Was sich noch nicht wiederverwerten lässt, wird in einem Kraftwerk zu Energie verbrannt. Außerdem hat der Hafen auch eine große Lagerhalle umgebaut, in der jetzt Start-ups über ihren Ideen brüten und eine Werkstatt haben. ›Es gibt noch keine Antwort darauf, wie das neue Wirtschaftskonzept aussieht‹, so Hallworth. ›Da braucht es so viele Köpfe und Ideen wie nur möglich.‹ In der Lagerhalle, dem Prodock, nutzt ein Start-up die Hitze von dezentralen Cloud-Servern für das Heizen von Wohnungen, ein anderes baut künstliche Riff-Teile, die einen Rückzugsort für Meeresbewohner schaffen sollen, und ein drittes versucht, co2 aus der Luft zu entfernen – indem es etwa Algenwälder und Agroforstwirtschaft fördert.
Wörter: 2581
Lesezeit: ~ 14 Minuten
Diesen Artikel können Sie um € 1,50 komplett lesen
Wenn Sie bereits Printabonnentin oder Printabonnent unseres Magazins sind, können wir Ihnen gerne ein PDF dieses Artikels senden. Einfach ein kurzes Mail an office@datum.at schicken.
Sie können die gesamte Ausgabe, in der dieser Artikel erschien, als ePaper kaufen:
Bei Austria-Kiosk kaufen