Wo das Glück wohnt
Finnland soll das glücklichste Land der Welt sein. Warum?
Erste Sonnenstrahlen bahnen sich ihren Weg durch die Bäume des Nadelwaldes zum moosbedeckten Erdboden. Dünne Zweige knirschen unter den Wanderschuhen, aus der Ferne ist das Rauschen des Meeres zu hören. ›Die Natur steht im Mittelpunkt. Hier ist sie rein, weit und fast menschenleer‹, sagt Juho Juutilainen und beugt sich zu den Preiselbeeren am Wegesrand hinunter. Nach und nach pflückt er die Beeren und sammelt sie in seiner Hand zu einem roten Haufen. ›Finnisches Superfood‹, sagt er und schiebt sie sich in den Mund. ›Du kannst hier Beeren und Pilze sammeln, so viel du willst, und sogar das Seewasser trinken. Aber was am wichtigsten ist, ist die Stille.‹
Juho kennt den Wald in Porkkala im Westen der finnischen Hauptstadt Helsinki wie seine Westentasche. Jeder noch so kleine Weg ist ihm vertraut, wie ein Trapper spürt er die Fährten von Elchen und Rehen im Gras auf. Hunderte Male war er bereits hier, noch vor wenigen Tagen mit einem Paar aus Japan – nicht als normaler Wanderführer, sondern als sogenannter Glücksguide. In nur wenigen Tagen soll Juho den Besuchern zeigen, was Glück bedeutet und wo und wie es zu finden ist. Er geht mit ihnen wandern, campen, Kajak fahren und in die finnische Sauna. Mehr als 6.000 Menschen aus aller Welt haben sich dieses Jahr für Glücksguides wie Juho in Finnland beworben. Genommen wurden nur rund ein Dutzend.
Die Glücksguides sind Teil einer Kampagne der staatlich finanzierten finnischen Tourismusagentur ›Visit Finland‹, die für ausgewählte Besucher die ›Glücksreise‹ nach Finnland zahlt. Die Agentur macht sich die Tatsache zunutze, dass Finnland in einer Studie der Vereinten Nationen 2019 als glücklichstes Land der Welt hervorging – zum zweiten Mal in Folge. Der Titel hat Finnland international Aufmerksamkeit verschafft und Interessierte ins Land gelockt. Menschen wie das japanische Paar Shun und Misato, die nach Finnland geflogen sind, um, wie Juho sagt, in der Natur abzuschalten und die finnische Saunakultur kennenzulernen. Letztere ist für Juho untrennbar mit dem Glück verbunden. Viel Zeit zur Entspannung blieb Shun und Misato nicht: Gerade einmal drei Tage und zwei Nächte haben die beiden mit Juho in der Natur verbracht. Laut Visit Finland aber genug Zeit, um ihre ›innere Ruhe‹ zu finden.
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