Zukunft ohne Halt

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Fotografie:
Zsolnay
DATUM Ausgabe Juli/August 2025

Was passiert in einer Welt, in der Gewalt verboten und die Klimakatastrophe schon längst eingetreten ist? In Amira Ben Saouds eindrücklichem Roman ›Schweben‹ erzählt die Autorin den Alltag einer abgeschotteten Stadt als dystopische Zukunftsgeschichte. Erzählerin ist eine namenlose Frau, deren Job es ist, abtrünnige Frauen (Ex-Partnerinnen, Töchter) in Rollenspielen für ihre Angehörigen zu ersetzen. Obwohl es vage Gerüchte über ein Leben davor oder draußen gibt, herrscht in der Stadt eine gruselige Normalität, die an Huxleys ›Schöne neue Welt‹ erinnert. Und nach und nach tauchen Ungereimtheiten auf, denen sich die Protagonistin und ihre Umgebung stellen müssen. 

Amira Ben Saoud gelingt in ihrem Debütroman eine hellsichtige Erzählung über Gesellschaft, dysfunktionale Beziehungen und Gewalt. Lassen Sie sich nicht vom vagen Klappentext (Stichwörter Identität und Beziehungen) und den Pastellfarben am schön gestalteten Cover in die Irre führen. Es handelt sich keineswegs um eine sanfte ›Alles wird gut‹-Story, sondern um eine stilistisch klare und inhaltlich messerscharfe Sezierung unserer Kultur. Selbst wenn ›Schweben‹ zum Schluss hin ein wenig die Luft auszugehen scheint und das Ende recht plötzlich daherkommt, ist es einer der bemerkenswertesten deutschen Romane der letzten Zeit. In seiner nüchternen und leichtfüßigen Erzählweise hat das auch Ähnlichkeiten mit Christian Krachts (Zukunfts-)Romanen. Und wenn ein Debüt schon Assoziationen zu so großen Autoren weckt, darf man auf die Zukunft ja tatsächlich gespannt sein.

Amira Ben Saoud: Schweben

Zsolnay 2025

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