Schenken Sie ein Jahr Lesefreude! Mit dem DATUM-Weihnachtsabo.

Abgehoben

Immer mehr reiche Menschen fliegen im Privatjet – besonders in Österreich. Trotz des Schadens für die Umwelt nimmt sich kaum jemand des Themas an.

DATUM Ausgabe September 2023

Signa-Gründer René Benko, Millenniumtower-Bauer Georg Stumpf und die reichste Frau Österreichs, Ingrid Flick, haben neben ihrem milliardenschweren Vermögen noch eines gemeinsam: Sie alle fliegen Privatjet. Benkos Bombardier Global Express XRS und Flicks Dassault Falcon 2000EX gehören zwar zur Klasse der ›Heavy Jets‹, sind aber Leichtgewichte gegen den Airbus 320A von Stumpf.

Ein Airbus dieses Typs bietet viel Platz für Gepäck, rund 180 Sitzplätze und macht nicht umsonst einen Großteil der Flotte der Austrian Airlines aus. Der Wiener Unternehmer Stumpf hat sich das Linienflugzeug aber schon vor zehn Jahren zum Privatjet umbauen lassen. Allein der Kauf kostete damals rund 51 Millionen Euro.

Nicht nur Summen in dieser Größenordnung machen klar, dass es bei Privatjetflügen um Luxus geht. Neben der Exklusivität preisen Charterfirmen auch ­Ledersessel-Komfort, Privatsphäre und ganz grundsätzlich ›maximale Freiheit‹ an. Das umfasst auch die Möglichkeit, an einem Dezembertag zwischen 16 Uhr und 18:30 von Graz nach Wien, von Wien nach Klagenfurt und von Klagenfurt wieder zurück nach Graz zu fliegen und dabei laut Berechnungen von Greenpeace knapp 4,3 Tonnen CO2 auszustoßen. Damit hat Ingrid Flicks Falcon 2000EX in zweieinhalb Stunden fast so viele Emissionen verursacht wie ein durchschnittlicher Österreicher laut European Energy Agency in einem halben Jahr. Denn Privatjets sind nicht nur kostspielig, sondern auch unverhältnismäßig umweltschädlich.

Und Österreich spielt in diesem Geschäft ganz vorne mit. Pro Kopf hat unser Land die dritthöchste Privatjetdichte der EU. Vor uns liegen nur Malta und Luxemburg. Insgesamt haben die in Österreich registrierten Privatjets allein 2022 so viel Treibhausgas ausgestoßen wie alle 64.000 Bewohner der Kleinstadt Wels für Wohnen und Mobilität in einem Jahr zusammen, rechnet Greenpeace in einem kürzlich veröffentlichten Report vor. Demzufolge flogen die hiesigen Privatjets letztes Jahr 40.700 Mal und verursachten 149.000 Tonnen CO2. Dabei verbrauchte der durchschnittliche österreichische Privatflug 3,5 Tonnen CO2 und legte in nicht ganz eineinhalb Stunden 828 Kilometer zurück. Das entspricht der Strecke Wien – Bukarest.

Nicht nur Privatpersonen, sondern auch Unternehmen leisten sich den Luxus eines eigenen Fliegers. Von allen österreichischen Konzernen verursachen Glock, Porsche, Red Bull, Magna und Swarovski die meisten Emissionen mit ihren Flügen. Über die letzten drei Jahre hoben Jets von Glock, Porsche und Red Bull durchschnittlich jeden Tag einmal ab. Ob sie Eigentümer in den Urlaub oder Manager zu Meetings transportieren, geht aus den Daten nicht hervor.

Global betrachtet schätzen Wissenschaftler der TU München und der University for Business and Economics in Linnaeus in Schweden, dass sich die weltweiten Emissionen der privaten Luftfahrt auf rund 0,16 Prozent des gesamten menschengemachten CO2-Ausstoßes belaufen, wenn man private Helikopter und Propellermaschinen mit einbezieht.

Das klingt zwar nicht viel, aber entspricht zum Beispiel der Hälfte der gesamten CO2-Emissionen von Afghanistan. Und wird außerdem von einer sehr kleinen Gruppe verursacht.

Die Pandemie hat einen regelrechten Boom der Privatflüge ausgelöst. In den letzten drei Jahren haben sich die Flüge mit österreichischen Privatjets mehr als verdoppelt. Es war eines der wenigen Fortbewegungsmittel, mit dem die Menschen ohne Infektionsgefahr weiterhin reisen konnten.

Laut Online-Medium ZackZack flog beispielsweise C-Quadrat-Vorstandsvorsitzender Alexander Schütz mit einer Freundesrunde Anfang Jänner 2021 – im Lockdown – per Privatjet auf die Insel Saint-Barthélemy in der Karibik. Berechnungen mit dem Small Emitters Tool der europäischen Luftfahrtbehörde zeigen, dass die vier Passagiere mit ihrer Reise rund 6,5 Tonnen CO2 pro Kopf ausstießen. Vergleichbar mit dem CO2-Fußabdruck eines Passagiers auf einer 21-tägigen Mittelmeer-Kreuzfahrt.

ZackZack hat damals über Instagram-Posts die Anzahl der Reisenden feststellen können. Im Regelfall wissen nur die Betreiber, welche und wie viele Personen wirklich beim Abflug in der Maschine sitzen.

Einen weiteren Hinweis können die Kennzeichen von Flugzeugen bieten, denn immer wieder verstecken sich darin die Initialen der Eigentümer: OE-IDM fliegt auch nach dem Tod von Dietrich Mateschitz noch für Red Bull, OE-IRP für Investor Ronny Pecik und Rene Benko verwendet das Kennzeichen OE-IRB. Die meisten Eigentümer haben eine Firma, die für sie die Flugzeuge betreibt. Viele Jets werden bei Charterunternehmen in Betreuung gegeben und weitervermietet. Das macht die Branche undurchsichtig, denn so verschwinden die eigentlichen Besitzer aus dem Register.

Eine dieser Firmen mit Sitz in Österreich ist Avconjet. Ihr CEO Alexander Vargcas verrate ›aus Prinzip‹ nichts über seine Kunden, sagt der Chef eines der größten Charterunternehmen in Österreich. Avconjet erhebe auch keine genauen Daten, ob die Passagiere zum Shopping oder zu Geschäftsmeetings für einen Tag von Wien nach Paris fliegen. Bei Mitbewerber Globeair sind es laut Geschäftsführer Bernhard Fragner zu rund 60 Prozent Businessflüge.

Es gibt keine öffentliche Stelle, die Daten über den Privatflugsektor sammelt. Die Austro Control sagt auf Anfrage, dass sie nicht erhebe, zu welchem Zweck geflogen wird, da es für die Flugsicherheit keinen Unterschied macht. Die Eurocontrol kann zwar bestätigen, dass die Businessluftfahrt in der Pandemie zeitweise sogar um knapp 30 Prozent im Vergleich zu 2019 gewachsen ist, aber über den Anteil der Branche am CO2-Ausstoß des gesamten europäischen Flugverkehrs kann sie keine Auskunft geben.

Die Intransparenz der Branche macht die Berechnung der tatsächlichen Emissionen einzelner Privatjetflüge schwierig. Die hängen nämlich unter anderem von Faktoren wie Passagieranzahl, Flugdistanz oder Flugzeugtyp ab. Und genau diese Daten sind nicht immer öffentlich zugänglich. Laut Berechnungen des schwedischen Tourismusforschers Stefan Gössling sind Privatjetflüge pro Kopf jedenfalls bis zu 14-mal so klimaschädlich wie ein normaler Linienflug.

Das sehen die Charterunternehmer anders. Fragner sagt, die Flüge von Globeair seien nur circa acht- bis neunmal so emissionsintensiv. Vargcas behauptet sogar, Privatjetflüge emittieren nur eineinhalb- bis fünfmal so viel CO2 wie ein Linienflug. Er habe sich das selbst mit dem Small Emitters Tool ausgerechnet. Belege liefert er dafür keine. Man solle einfach bei der European Business Aviation Association (EBAA) nachfragen. Die wiederum will auf Anfrage keine Zahlen nennen.

Fakt ist, Privatjets sind für die Wege, die sie zurücklegen, die umweltschädlichste Variante, wie das deutsche Bundesumweltamt ermittelt hat. Zwei Drittel der österreichischen Privatjetflüge sind Kurzstrecken wie Linz-Wels, Salzburg-Wien oder Graz-Maribor. Strecken, die sich allesamt auch problemlos mit dem Zug bewältigen lassen. Statistiken aus dem Jahr 2014 besagen, bei vier von zehn Privatjetflügen sitzen gar keine Passagiere an Bord. Die Maschinen heben bloß ab, um das Flugzeug zum Kunden oder zurück in den Hangar zu bringen. Es gibt zwar Angebote, solche ansonsten ›leeren‹ Flüge kurzfristig unter dem Marktpreis zu buchen. Aber auch bei Globeair bleibt rund ein Viertel der Flüge unbemannt. Daraus ergibt sich die Frage: Wie können Privatjets und ihre Passagiere sinnvoll reguliert werden?

›Solange kein Zwang da ist, CO2-Emissionen zu reduzieren, findet es auf freiwilliger Basis nicht statt‹, sagt Andreas Humpe von der TU München. Der Forscher hat bereits mehrere wissenschaftliche Artikel zur Umstellung des weltweiten Flugverkehrs auf potenziell nachhaltigere Antriebsmöglichkeiten verfasst und veröffentlicht. Aus seiner Sicht ist die Luftfahrt bei der Dekarbonisierung ein ›Problemkind‹. Die bestehende Flotte fliegt mit Kerosin. Für einen Betrieb mit Wasserstoff oder Öko-Strom müssten komplett neue Flugzeuge und die dazugehörige Tank- oder Ladeinfrastruktur gebaut werden. Das ist nicht nur kostenintensiv, sondern liegt auch in weiter Ferne.

Die einzige bereits jetzt eingesetzte Alternative sind synthetische Kraftstoffe und Biofuels. Sie bringen aber gleich einen Haufen Probleme mit sich. Diese sogenannten Sustainable Aviation Fuels (SAF) können nicht schnell genug in ausreichender Menge hergestellt werden. Denn auch der Strom, mit dem sie produziert werden, muss erneuerbar erzeugt sein, damit SAFs wirklich als nachhaltig gelten können. Es herrscht also ein extremer Mangel.

Und selbst wenn genügend SAFs produziert werden könnten, um die von der EU gesetzten Ziele zu erreichen – bis 2050 muss vom Privatjet bis zur Passagiermaschine jedes Flugzeug zu 70 Prozent mit nachhaltigem Treibstoff fliegen – würden ebendiese gesetzten Ziele nicht genügen. Denn um wirklich klimaneutral zu fliegen, müssten die restlichen 30 Prozent anders als durch CO2-Zertifikate kompensiert werden. Eine Alternative dazu gibt es aber bisher nicht.

Für Humpe steht fest: ›Wir werden uns einschränken müssen, mehr bezahlen und weniger fliegen können.‹ Zu diesen Einschränkungen gehöre auch, unnötige Emissionen zu verbieten. Kein Wunder, dass zahlreiche Politiker dafür als erstes Privatjets in Betracht ziehen.

Ideen, die überbordenden Emissionen von Privatjets zu regulieren, gibt es viele. Verbote von Kurzstrecken – oder Leerflügen zum Beispiel. Auch die österreichische Verkehrs- und Klimaministerin Leonore Gewessler hat unlängst einen Brief an die EU-Kommission gerichtet. Gemeinsam mit den zuständigen Ministern von Frankreich und den Niederlanden fordert sie darin, den Privatflugsektor stärker zu reglementieren und ›das Verbot von Privatjetreisen zu behandeln‹. Die Antwort der Kommission fiel ernüchternd aus: Weitere Maßnahmen zur Dekarbonisierung der Luftfahrt sind nicht in Planung.

Aus dem grünen Ministerium heißt es auf Anfrage, man teile diese Ansicht nicht. Nur innerösterreichisch mache ein Verbot wenig Sinn, Privatjetanbieter sowie deren Benutzer würden relativ einfach auf Hangars im Ausland aus­weichen können. Es brauche eine europäische Lösung, um so keinen ›Fleckerlteppich‹ zu erzeugen. Die EU-Verkehrs­kommissarin hat allerdings weitere Auflagen für den Privatflugsektor, zumindest für diese Amtszeit der Kommission, ausgeschlossen. Die Charterunternehmer machen sich wegen eines Verbots in der EU generell keine Sorgen. Das Geschäft von Avconjet sei global, sagt Vargcas. ›Wenn das passiert, dann wandern unsere Flugzeuge einfach ab.‹

Manche EU-Staaten setzen aber doch Initiativen auf nationaler Ebene. In Frankreich werden keine Flüge mehr angeboten, wenn die Strecke in zweieinhalb Stunden mit dem TGV bereist werden kann. Am Amsterdamer Flughafen Schiphol sollen ab Ende 2025 keine Privatjets mehr landen dürfen. Letzteres liegt aber vor allem an der Überlastung der Flughafenkapazitäten. Die NGOs Greenpeace und Stay Grounded machen sich schon länger für ein generelles europaweites Verbot von Privatjets stark.

Dabei könnten paradoxerweise gerade Privatjets zum Vorreiter in Sachen Green Aviation werden. ›Aus ingenieurstechnischer Sicht ist es nicht schlecht, dass wir auch kleinere Flugzeuge haben. In diesem Bereich können wir leichter neue Technologien ausprobieren‹, sagt Holger Friehmelt, Luftfahrt-Institutsleiter an der FH Joanneum. Für Kurzstrecken könnte man nur noch die ohnehin nicht für Distanz gebauten Elektroflugzeuge zulassen, meint Friehmelt.

Außerdem, so meint der deutsche Forscher Humpe, könnten Privatjetanbieter dazu verpflichtet werden, schon jetzt vollständig mit den wesentlich teureren Sustainable Aviation Fuels zu fliegen. So könnte man inklusive einer Anschubfinanzierung neue Technologien über einen Sektor erforschen, in dem laut Humpe genügend Geld dafür vorhanden sei. Diese Entscheidung könne allerdings nur die EU treffen.

Inzwischen haben sich die kommerziellen Airlines von dem Tief der Corona-Pandemie erholt, während der Höhenflug der Businessjet-Branche leicht abflacht. Der gesamten Luftfahrt ist bereits wieder ein leichtes Wachstum prognostiziert. Wasserstoff-Flugzeugen und einigen der potenziell nachhaltigeren Treibstoffe hingegen stehen noch mindestens zehn Jahre im Entwicklungsstadium bevor.

Und obwohl die Charter-CEOs Vargcas und Fragner es als notwendig bezeichnen, Emissionen zu reduzieren, wollen sie doch beide der Freiheit ihrer Kunden nicht von sich aus Grenzen setzen. Fragner sagt aber, er würde es begrüßen, wenn die Politik Kurzstreckenflüge – laut Eurocontrol-Definition Strecken unter 1.500 Kilometern – verbietet. Solange das in gesellschaftlichem Konsens entschieden werde. Mit gutem Beispiel vorangehen und selbst auf diese Flüge verzichten, das könne Globeair wegen der Wettbewerbsfähigkeit nicht: ›Sie schneiden sich doch auch nicht einfach so in die Finger, oder?‹ •