›Alles super mega easy!‹

Amed besucht eine Förderschule, Alex eine Inklusionsklasse. Wie lernen Kinder mit Behinderung?

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Fotografie:
Stefan Fürtbauer
DATUM Ausgabe April 2018

Neue Mittelschule Konstanziagasse, 22. Wiener Bezirk, 7.50 Uhr. Das Klassenzimmer der 1D liegt im zweiten Stock. Die Fenster sind groß, an den Wänden hängen bunte Plakate, die verschiedene Länder Europas beschreiben. Alex, elf Jahre, knallrote Sportschuhe, schwarzes T-Shirt, begrüßt seinen Freund Patrick. Patrick hat den Kopf im Ellenbogen am Tisch abgelegt und reagiert nicht auf Alex’ Begrüßung. Alex ist dagegen hellwach, sein dünner Körper immer in Bewegung. Seine kurzen braunen Haare fallen ihm ständig ins Gesicht. Mit einer schnellen Bewegung streicht er sie dann hinter die Ohren. Nun springt er um Patricks Tisch, bleibt plötzlich stehen und sagt: ›Du weinst wegen einem Mädchen!‹ Patrick hebt den Kopf. ›Nein, ich schlafe‹, sagt er und lässt den Kopf wieder auf den Ellenbogen fallen. Alex läuft auf den Gang. Als es wenig später zur Stunde läutet, bleibt er ein paar Minuten stehen, hebt den Blick selbstbewusst und grinst den anderen Schülern auf dem Weg in ihre Klassenzimmer zu. Der Unterricht hat bereits begonnen, als Alex in sein Klassenzimmer geht und an seinem Tisch in der Mitte des Raumes Platz nimmt.

Wie alle junge Menschen, die in dieser Geschichte vorkommen, heißt Alex eigentlich anders. Der Bub hat sonderpädagogischen Förderbedarf. Kinder mit SPF haben entweder eine organische Behinderung, Lern- oder Verhaltensprobleme. Dass Alex nun gleich mit dreißig anderen Kindern ohne SPF Deutsch lernen wird, ist keine Selbstverständlichkeit.

Karl-Schubert-Schule, 23. Wiener Bezirk, 7.50 Uhr. Josef sitzt in aufrechter Haltung auf seinem Sessel und wippt leicht hin und her. Die olivgrünen Hausschuhe hat er ausgezogen, die großen, dunkelbraunen Augen halb geschlossen. Der 13- Jährige redet nicht. Mit sieben anderen Jugendlichen besucht er die siebte Klasse der Karl-Schubert-Schule für Seelenpflegebedürftige Kinder. Jeder Tag an der Schubert-Schule beginnt mit einem Lied, für den sich die Schüler in einem Sesselkreis versammeln. Es ist halbdunkel, eine Kerze brennt. Leise stimmt die Klasse ihren Gesang an, einige der Kinder begleiten mit Blockflöte oder Xylophon. Mit den ersten Tönen scheint Josef wie verwandelt: Er singt laut und gut verständlich, kann den Text auswendig und trifft jeden Ton.

Genauso wie Alex hat auch Josef sonderpädagogischen Förderbedarf. Während es an Alex’ Schule, der NMS Konstanziagasse, in jeder Klasse ein Kind mit Förderbedarf gibt, werden an der Karl-Schubert-Schule ausschließlich solche Kinder unterrichtet, 84 sind es insgesamt, mit unterschiedlichen Förderschwerpunkten. In den letzten Jahren setzte Österreich vermehrt auf Inklusion, um internationalen Abkommen zu entsprechen. Die neue schwarz-blaue Regierung plant nun, das ›Sonderschulwesen‹ zu stärken. Beide dieser in Österreich gängigen Modelle des Unterrichts versprechen, zum Wohl der Kinder zu handeln. Die meisten Schulen schneidern sich ihre Lösungen individuell zurecht, Prototypen gibt es kaum. Was funktioniert, und was nicht?

›Wenn ich groß bin, möchte ich Kalenderdesigner werden‹, sagt der Zwölfjährige fast unhörbar leise.

Seit fünf Jahren wird an der NMS Konstanziagasse versucht, Inklusion umzusetzen. Auf der Suche nach einer Definition von Inklusion stößt man auf die verschiedensten Versionen. Zusammengefasst meint Inklusion eine Einstellung gegenüber Randgruppen der Gesellschaft, die fordert, dass sich das System an die Bedürfnisse aller Individuen anpassen muss und nicht das Individuum an das System. Früher gab es an der NMS Konstanziagasse eine Integrationsklasse. Integration ist ein Konzept, das der Inklusion sehr ähnlich ist. Integration bedeutet, dass eine Gruppe von Kindern mit SPF teilweise im Regelunterricht gemeinsam mit Kindern ohne SPF und teilweise in eigenen Stunden unterrichtet wird. Diese vier bis sechs Schüler haben einen eigenen Lehrer. Auch an der Konstanziagasse war das so üblich. Doch die Kinder litten unter der Bezeichnung, ein ›Integrationskind‹ zu sein, sagt Ursula Axmann, die trotz der Änderung offiziell als Integrationslehrerin angestellt ist. ›An einer NMS sind die Bedingungen für Lehrer immer schwer, viele resignieren da‹, sagt Axmann. ›Vor fünf Jahren standen wir vor der Entscheidung, weiter zu jammern, dass es immer schlimmer wird oder aber etwas zu verändern. Und wir haben uns für Letzteres entschieden.‹ Auf Axmanns Initiative wurde die Integrationsklasse durch mehrere Inklusionsklassen ersetzt. Von den 332 Schülern der NMS haben 23 Förderbedarf. 35 verschiedene Muttersprachen werden an der Schule gesprochen. ›Für mich war von Anfang an klar, dass ich Axmann dabei unterstütze‹, sagt Edith Hülber, die Direktorin der Schule. ›Durch die Änderung nutzen wir das Potenzial der Lehrer und Schüler besser. Ich glaube, dass unsere Gesellschaft konfliktfreier wäre, wenn jedes Kind gefördert wird.‹

Damit Kinder wie Alex am Unterricht teilnehmen können, mussten die Lehrer das Lernen anders gestalten, als es in den meisten Schulen üblich ist. Neben einigen Stunden aller Fächer, die in Frontalunterricht gehalten werden, gibt es auch täglich zwei Stunden, in denen ›Offenes Lernen‹ stattfindet. Dabei wird eine ganze Schulstufe gemeinsam von den Lehrenden, die so als Team zusammenarbeiten, betreut. Die Räume werden nach Fächern aufgeteilt und können von den Schülern je nach Interesse besucht werden.

NMS Konstanziagasse, neun Uhr. Zweite Stunde. Unter Aufsicht eines Lehrers arbeiten rund dreißig Schüler an ihren Deutschaufgaben, auch Alex. Jedes Kind bekommt einen Plan, auf dem genau steht, bis wann es was können muss und entscheidet dann selbst, wie und wann es dies erarbeitet. Einige Kinder kauen an Bleistiften, runzeln die Stirn und schreiben konzentriert auf ihre Zettel. Andere blicken verträumt von ihren Heften auf oder führen Gespräche über die neusten Youtube-Videos. Welche Kinder SPF haben und welche nicht, fällt hier zunächst gar nicht auf. Erst wenn man bei den Lehrern nachfragt und die Materialen der Kinder vergleicht, werden Unterschiede merklich. So hat Alex, der sich in Deutsch schwertut, andere Aufgaben als die meisten seiner Mitschüler. Er füllt einen Lückentext aus, rollt das Papier beim Nachdenken wieder und wieder zusammen. Irgendwann bleibt die runde Form erhalten und der Zettel passt kaum mehr in seine Mappe. ›Ich hab heute nicht so viele Kon-Ka-Zentration‹, sagt er. Alex spricht oft Worte anders aus. Dass ihm etwas schwerfällt, gibt er nicht gerne zu: ›Alles super mega easy‹, sagt er lieber und schaut einem tief in die Augen. Alex hat am liebsten Sport. ›Alles‹, sagt er, nach seiner Lieblingssportart gefragt, und balanciert dabei zwischen zwei Tischen auf seinen Armen. In der Pause läuft er durch die Klassenzimmer und trägt seine Mitschüler Huckepack.

Alex gehört zu den rund 55 Prozent der 6.000 Kinder mit SPF in Wien, die inklusiv unterrichtet werden. In den anderen Bundesländern schwankt der Anteil zwischen den achtzig Prozent der Kinder mit SPF, die laut Bundesministerium für Bildung in der Steiermark eine inklusive Schule besuchen, und den nur 48,4 Prozent, die in Tirol inklusiv beschult werden. Insgesamt besuchen laut BMB rund 64 Prozent der 30.000 Schüler mit SPF in Österreich eine Regelschule.

Karl-Schubert-Schule, acht Uhr. Josefs bester Freund Amed hat schwarze Augen, dunkle Locken und trägt einen gestreiften Pullover. Seine Brille scheint etwas zu groß, jedes Mal, bevor er mit leiser Stimme spricht, rückt er sie mit dem Zeigefinger zurecht. ›Wenn ich groß bin, möchte ich Kalenderdesigner werden‹, sagt der Zwölfjährige fast unhörbar leise und inspiziert das heutige Kalenderblatt. Hier in der Klasse hängen drei Kalender, zwei davon hat Amed selbst mitgebracht. Zuhause habe er zwölf Stück Kalender, alle zum Abreißen und Üben für später. An den Wänden des weiß gestrichenen Klassenzimmers hängen ansonsten nur wenige Bilder, ein anderer Schüler reißt sie nämlich gerne herunter. Regale und in sicherer Höhe aufgehängte Kunstwerke der Schüler schmücken den kleinen Raum.

Weil Josef viel Struktur braucht, hat er seinen eigenen Stundenplan, an dem er jeden Tag genau ablesen kann, was passiert. Von Religionsunterricht über Pause bis hin zum Gang auf die Toilette sind dort alle Tätigkeiten, die ihn an einem Tag erwarten, mit Piktogrammen illustriert. Doch heute ändert sich der Stundenplan kurzfristig, weil eine Lehrerin krank ist. Die Fächer tauschen Reihenfolge. Für Josef ist das zu verwirrend. Er beginnt laut zu schreien, rennt durch den Klassenraum und schlägt wild um sich. Die kleine, zerbrechlich dünne Julia hält sich kreischend die Ohren zu. Sie sitzt in einem Körbchen am Boden. So ist sie am ruhigsten und kann sich nicht verletzten, wenn sie einen spastischen Anfall hat. Zwei weitere Kinder stimmen in das Geschrei mit ein. ›Hier schau, jetzt haben wir Unterricht‹, sagt Bozena Dabrowska, die Klassenlehrerin, Hornbrille und polnischer Akzent, mit ruhiger Stimme und zeigt das Piktogramm vom Stundenplan. Und tatsächlich: Josef wird ruhig und mit ihm auch Julia und die anderen. Die Routine geht weiter.

Er beginnt laut zu schreien und schlägt wild um sich. Die kleine, zerbrechlich dünne Julia hält sich kreischend die Ohren zu.

An der Karl-Schubert-Schule werden Kinder mit verschiedenen Förderschwerpunkten gemeinsam unterrichtet. Der Pädagogik der Schubert-Schule liegt eine anthroposophische Weltanschauung zu Grunde. Konkret bedeutet das vor allem, dass den Schülern hier viel Zeit, Stille und Musik geboten wird. Sie sollen nicht überfordert, sondern sanft abgeholt werden, so Direktorin Teresa Szabo. Die Schule ist eines von 34 Heilpädagogischen Förderzentren in Wien. ›Wir nehmen jedes Kind‹, sagt Szabo.

Das Konzept der Förderschule und die Idee dahinter, dass jedem Menschen, egal mit welchen Beeinträchtigungen, Förderung zustehe, war ursprünglich revolutionär. Im 16. Jahrhundert gab es die ersten Schulen für Blinde und Hörbehinderte. Später kamen nach und nach Schulen für andere Behinderungen hinzu, zuletzt im 19. Jahrhundert Einrichtungen für junge Menschen mit Lernschwierigkeiten. Während der NS-Zeit wurde das Konzept der getrennten Förderung missbraucht, behinderte Menschen ermordet.

Der Gedanke, dass Kinder wie Alex gemeinsam mit ihren Altersgenossen unterrichtet werden sollen, entstand in den 1960er-Jahren in den Vereinigten Staaten. Die ersten Integrationsklassen wurden in Österreich in den 1980ern eingerichtet – teils unter heftigen Protesten besorgter Eltern, die nicht wollten, dass ihre Kinder gemeinsam mit jungen Menschen mit Behinderungen unterrichtet werden. 2009 verpflichtete sich Österreich mit der Ratifizierung der UN-Behindertenrechtskonvention zu einem inklusiven Bildungssystem, 2015 ratifizierten alle UN-Staaten die Agenda 2030. ›Quality education‹, also qualitätsvolle Bildung für alle Menschen, ist darin als ›Sustainable Developement Goal‹, als nachhaltiges Entwicklungsziel, festgehalten. 2012 beschloss das österreichische Sozialministerium (damals SPÖ) den ›Nationalen Aktionsplan Behinderung‹. Darin ist auch ›Inklusive Bildung‹ Thema. Im Aktionsplan ist die Absicht festgehalten, die Inklusionsquote in verschiedenen gesellschaftlichen Bereichen, darunter auch im Schul- und Hochschulsystem, stetig zu erhöhen. Ziel ist es, bis 2020 Modellregionen einzurichten, in denen es dann keine Förderschulen, sondern nur Inklusionsklassen geben soll. Die ersten Regionen wurden in Tirol, der Steiermark und Kärnten eingerichtet, 2020 sollen diese ›evaluiert‹ werden. Der Aktionsplan ist eine Absichtserklärung, über die konkrete Umsetzung entscheiden die jeweilige Regierung und die zuständigen Ministerien.

Die neue schwarz-blaue Regierung scheint diese Entwicklung nun bremsen zu wollen. ›Erhalt und Stärkung des Sonderschulwesens‹ haben sie in das Regierungsprogramm geschrieben, zudem eine ›Präzisierung der Kriterien für Inklusion von Schülerinnen und Schülern mit besonderem Förderbedarf in anderen Regelschulen‹ geplant. Für Elternvertreter sei die Förderschule oft der Raum, an dem sie ihre Kinder gut aufgehoben wissen, so Bildungsminister Heinz Faßmann laut einer Stellungnahme seiner Pressestelle. Man wolle Förderschulen dort einsetzen, wo es sinnvoll sei, zum Beispiel in der Ausbildung blinder Menschen.

Anders als die Karl-Schubert-Schule spezialisieren sich die meisten Förderschulen stark auf unterschiedliche Förderschwerpunkte – Sehen, Hören, körperliche und motorische Entwicklung, geistige Entwicklung und Lernen, emotionale und soziale Entwicklung sowie Sprache – und nehmen nur Kinder auf, die die von ihnen angebotene besondere Unterstützung brauchen.

In einer Presseaussendung kritisierte Gottfried Biewer, der an der Universität Wien über Inklusion forscht, die Vorhaben der neuen Koalition. Aufgrund der UN-Vorgaben sei Inklusion völkerrechtlich vorgeschrieben. Zudem kritisiert Biewer die Verwendung des Wortes ›Sonderschule‹, das aus der NS-Zeit stammt – zuvor wurden viele solcher Einrichtungen Hilfsschule genannt, eine einheitliche Benennung wie heute gab es nicht. Insgesamt stellt er bei den Regierungsplänen ein ›erstaunliches Maß an Ignoranz und Inkompetenz‹ fest.

Aus dem Büro von Bildungsminister Faßmann heißt es, man sähe keinen Widerspruch zur Behindertenrechtskonvention. Die Stärkung der Förderschule spräche nicht gegen einen Ausbau der Inklusion, den Aktionsplan des Sozialministeriums wolle man nicht vorzeitig beenden. Der Fortbestand der Förderschule sei auch in Hinblick auf das gesetzliche Wahlrecht der Eltern wichtig. Dieses Recht gilt aktuell in Österreich und erlaubt es den Eltern von Kindern mit SPF auszuwählen, in welche Schule sie gehen sollen, damit ihre Bedürfnisse am besten berücksichtigt werden.4

›Vergeltung des Todes‹ nennt er sein Bild und bitte das Mädchen hinter im um ihren roten Filzstift.

NMS Konstanziagasse, Mittwoch, elf Uhr. Das ›Offene Lernen‹ ist vorbei, die Schüler gestalten im Klassenverband Masken für den Fasching. Alex zeichnet wild, mit viel rot und schwarz, die Grenzen der Ausmalvorlage scheinen ihm egal zu sein. ›Vergeltung des Todes‹, sagt er zu seiner Kreation und bittet das Mädchen hinter ihm um einen neuen Filzstift. Das Rot ist ausgegangen. In Unterrichtsstunden wie dieser nimmt der Elfjährige ohne zusätzliche Betreuung teil. ›Die Kinder lernen von- und miteinander. Dabei nimmt jeder etwas mit‹, sagt Axmann. Im Unterrichtsalltag ist das Thema Behinderung kein Thema. Alle Kinder besuchen zusätzlichen Förderunterricht – manche nur selten und manche eben öfter. Während des Offenen Lernens kümmern sich die Lehrer besonders um die Kinder mit SPF, stehen aber allen Schülern für Erklärungen und Fragen zur Verfügung. Die Kinder wirken verdutzt, wenn man fragt, ob einige Kinder Dinge besser können als andere. ›Ja, aber das ist doch normal‹, sagt eine Schülerin. ›Jeder kann eben was anderes gut.‹

Es ist beinahe auszuschließen, dass Alex auch in der Oberstufe in einer solchen Inklusionsklasse lernen wird. Je älter die Kinder sind, desto wahrscheinlicher ist es, dass sie in eine Förderschule oder Förderschulklasse gehen, egal in welchem Bundesland sie leben. Inklusion nach der neunten Schulstufe geschieht zudem nur selten, da hier die Schulpflicht endet. Hinzu kommt, dass es keine Inklusionsprojekte in der AHS gibt. Das, so Inklusionsforscher Biewer, hängt vor allem damit zusammen, dass es an Initiative mangelt – rechtlich sei Inklusion durchaus auch in der AHS gut möglich.

An der Konstanziagasse sorgt man sich um das Wohl der Kinder. Der Zweifel von Lehrerin Axmann und Direktorin Hülber besteht vor allem darin, dass manche Kinder mit sehr spezifischen Bedürfnissen hier, in der Regelschule, nicht optimal gefördert werden können. Eine Hilfslehrerin hat Bedenken: ›Meiner Meinung nach ist dieses Zusammenhauen von allen eine reine Sparsache‹, sagt sie. Den Eltern der Schüler ohne SPF scheinen solche Bedenken fern: Laut Hülber würden sich viele Eltern diese Schule für ihre Kinder wünschen. Die Kinder würden optimal gefördert, überdurchschnittlich viele ihrer ehemaligen Schüler eine weiterführende Schule besuchen.

Karl-Schubert-Schule, Mittwoch, 12 Uhr. Geographie. Weil die Kinder sehr unterschiedliche Leistungsniveaus haben, muss sich Klassenlehrerin Dabrowska Aktivitäten überlegen, bei denen alle mittun können. Gerade arbeitet die Klasse zum Thema Afrika. Amed ist besonders begeistert, denn er ist in Afrika geboren. ›Er hat zwei Eltern, welche in Äthiopien und welche in Österreich‹, erklärt eine Klassenkameradin. Dabrowska hat fünf Stationen vorbereitet. Auf einem der Tische löst Josef ein Kreuzworträtsel, während andere Giraffen zeichnen und Kartoffeldrucke mit afrikanischen Mustern anfertigen. Julia hat sich in ihr Körbchen zurückgezogen, nuckelt an einem Tuch und wippt hin und her.

In einem der wenigen ruhigen Momente, wenn alle Kinder beschäftigt sind, erklärt Bozena Dabrowska, was sie nachdenklich werden lässt: die Zukunft ihrer Schüler. An einer Förderschule wie ihrer bekommen die Jugendlichen keinen Abschluss und landen fast ausnahmslos in Behindertenwerkstätten oder am sogenannten ›geschützten Arbeitsmarkt‹, also in Einrichtungen, die Menschen mit Behinderung anstellen. Oft sind die Löhne hier, wenn vorhanden, sehr gering und es gibt wenige Möglichkeiten, sich weiterzuentwickeln. Das ist eine große Hürde, um ein selbstständiges Leben zu führen.

Prinzipiell ist Dabrowska auch für mehr Inklusion. ›Ich glaube aber, dass unsere Gesellschaft noch Zeit braucht.‹ Deshalb sucht man an der Schule nach Übergangslösungen und will Möglichkeiten finden, die zu den Kindern passen. Amed, zum Beispiel, ist begabt in Mathematik und lernt schnell Sprachen. Vier Stunden die Woche sitzt er mit den Schülern der nur wenigen Minuten entfernten Partnerschule, der Rudolf-Steiner-Schule Mauer, in einem Klassenzimmer und lernt Russisch und Mathematik. Ein ganzer Tag an der Partnerschule wäre Amed zu viel. Dort ist er der einzige Schüler mit Behinderung.