Aufrüsten – aber wie?

Seit Putins Krieg gegen die Ukraine will auch Österreich deutlich mehr in die militärische Landesverteidigung investieren. Aber was genau soll mit dem Geld passieren? DATUM bat den Militärexperten Franz-Stefan Gady und den Politikwissenschaftler Franz Eder zum Streitgespräch.

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Fotografie:
Gianmaria Gava
DATUM Ausgabe Mai 2022

Sie beide sind seit dem 24. Februar 2022 gefragte Experten, wenn es um die Landesverteidigung nach der viel zitierten Zeitenwende geht. Bevor wir so richtig einsteigen, wie erleben Sie denn diese Debatte ganz grundsätzlich?

Franz Eder: Jedenfalls nicht als die Debatte, die wir bräuchten. Aber das ist nichts neues. Es herrscht in Österreich generell eine Unfähigkeit vor, wenn es darum geht, über außen- oder sicherheitspolitische Themen zu reden. Das grenzt an absolute Überforderung. Gleichzeitig wittern Akteure wie das Bundesheer ihre Chance, aus der Situation Kapital zu schlagen, nämlich die chronische Unterfinanzierung und das Kaputtsparen des Heeres umzudrehen und an neue Budgets zu kommen. Das ist auch absolut nachvollziehbar, und ich halte es für richtig, über Aufrüstung und Modernisierung des Militärs zu sprechen, aber, wenn Sie mich nach der Qualität der Debatte fragen, sage ich: Wir beginnen am Ende. Zuerst sollten wir uns nämlich darüber klar werden, was wir außen- und sicherheitspolitisch erreichen wollen, und dann erst über die Ressourcen diskutieren. Das Militär ist ein wichtiges Element, aber nicht das einzige. Solange die Grundsatzfrage nicht geklärt ist, macht es wenig Sinn, dem Bundesheer Geld zu geben, denn alle Investitionen jetzt bestimmen auf Jahre hinaus, wie das Heer aussieht.

Franz-Stefan Gady: Diese Zeitwende in der Verteidigungspolitik, die in der ersten Reaktion auf die russische Invasion in der Ukraine angekündigt wurde, ist ja bis dato gar nicht eingetreten. Natürlich gibt es einen gewissen politischen Willen zur Veränderung, aber man muss einfach einsehen, dass gerade Deutschland und Österreich im Vergleich zu Ländern wie den USA, Großbritannien oder Frankreich ein sehr gestörtes Verhältnis zu den Streitkräften beziehungsweise militärischer Macht an sich haben. Die Politik und die Militärs fremdeln. Das bemerke ich bei vielen Gesprächen, teilweise herrscht da sogar Trotzigkeit. 

Woran liegt das?

Gady: Letztlich sind die meisten Akteure hierzulande insgeheim davon überzeugt, dass niemand Österreich angreifen wird, weshalb wir auch keine wirklichen Streitkräfte brauchen. Und wenn es einen Angriff auf weitere europäische Länder gibt, dann ist unser Schutz ja ohnehin an die NATO beziehungsweise in logischer Folge an die USA ausgelagert. Das Prinzip lautet: Wir tauchen da jetzt durch und fordern lieber große Grundsatzdebatten ein. Das halte ich für einen wirklich schweren Fehler. Der Krieg in der Ukraine ist ja nicht die Ursache für die sogenannte Zeitenwende, sondern ein Symptom. In Wahrheit erleben wir seit Jahrzehnten, dass die konventionelle militärische Macht eine immer größer werdende Rolle spielen wird. Wegen des Geredes von hybrider Kriegsführung haben wir uns gedacht, dass wir keine konventionelle Wehrfähigkeit mehr brauchen, dabei sind Cyberangriffe oder ähnliches ja immer kriegsunterstützende Maßnahmen, die zur konventionellen Kriegsführung dazukommen. Insofern kommen wir einfach nicht daran vorbei, auch in Österreich über eine ernsthafte Ausrüstung der konventionellen Streitkräfte zu sprechen. Ich bleibe optimistisch, dass sich das jetzt ändert, aber bitte: Wir haben genug debattiert! Die Konzepte gibt es, die liegen im Verteidigungsministerium. Wo ich Herrn Eder Recht gebe: Die politische Klasse muss entscheiden, was sie von unseren Streitkräften erwartet. 

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