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Bildbeweis

Das World Press Photo 2023 stammt von Evgeniy Maloletka. Der Fotograf hofft, dass sein Bild irgendwann dazu beitragen wird, Kriegsverbrecher zur Rechenschaft zu ziehen.

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Fotografie:
Evgeniy Maloletka/AP/picturedesk.com
DATUM Ausgabe Mai 2023

Evgeniy Maloletka hat gerade noch die Massengräber am Stadtrand von Mariupol gefilmt, als er und sein Team sehen, wie erneut Bomben auf die damals wohl wichtigste Hafenstadt des Landes fallen. Unter den vielen zerstörten Gebäuden ist auch eine Geburtenklinik. Der ­ukrainische Fotojournalist aus der Nachbarstadt Berdjansk schießt dort ein Foto, das die Absurdität und den Schrecken des Krieges einfängt wie kein zweites.

So sieht es zumindest die Jury, die ­Maloletkas Foto einstimmig zum World Press Photo 2023 gewählt hat. Als einer der letzten Reporter hat er vor einem Jahr im belagerten Mariupol 20 Tage lang ausgeharrt und die Gräuel dort dokumentiert. ›Für mich ist das ein Foto, das ich lieber vergessen will. Aber ich kann nicht‹, sagt der Fotograf jetzt in einem Interview. ­Kateryna Radchenko, eine ukrainische Kuratorin und Fotografie-Forscherin, die als europäische Vertreterin in der globalen Jury mitgestimmt hat, sieht in dem Foto den Anlass, das Gegenteil zu tun: ›Dieses Bild hat so viele Ebenen. Es zieht die Aufmerksamkeit auf sich und behält sie auch. So kann man tiefer über die ­Geschichte des Fotos nachdenken.‹

Die Löcher in dem gelben Gebäude, in dem sich das Krankenhaus befand, sind mit freiem Auge erkennbar. Fensterscheiben sucht man vergeblich. Die Fassade schält sich, Rauch steigt auf, an den Bäumen fehlen die Blätter. Vor diesem Hintergrund eilen Polizisten mit einer hochschwangeren Frau auf einer Trage durch das Gestrüpp. Sie hieß Irinya Kalinina.

›Dieses Foto stellt die Frage nach einem sicheren Hafen‹, sagt Radchenko. ›Ein Krankenhaus wurde zerbombt, ein Ort, an dem man eigentlich Schutz sucht, und eine Schwangere verwundet. Ihr Bauch sollte auch ein sicherer Platz für ihr Baby sein.‹ Leben und Sterben in der Ukraine und vor allem damals in der Hafenstadt Mariupol habe nur mit Timing und Glück zu tun. Radchenko geht es auch darum, dass damit die Zukunft des Landes zerstört wird. ›Kinder werden getötet oder bekommen nie die Möglichkeit zu leben‹, sagt sie.

Auf dem Foto hält die Schwangere ihren Bauch, ihr Bein ist blutverschmiert, ihr Gesicht ausdruckslos. Vor allem ein Element unterstreicht das Groteske der Szene: Das Handtuch, auf dem Iryna liegt, zeigt ein Stück Wassermelone. ›Die intensiven Farben lassen es wirken wie aus einem
Kindergarten, wie von einem fröhlicheren Ort. Ich kann mir gut vorstellen, dass sie es selbst mitgebracht hat‹, sagt Radchenko. Es verbinde das Bett im Krankenhaus mit dem ruhigen eigenen Zuhause, das man sich in der Unsicherheit des Krieges zurückwünsche.

Bei dem Angriff auf die Geburtenklinik kamen drei Menschen ums Leben, 17 wurden verletzt. Unter den Toten war auch die Frau auf der Trage. Sie starb in einem anderen Krankenhaus, eine halbe Stunde nachdem das Foto aufgenommen wurde. Auch ihr Baby kam tot zur Welt.  Iryna nannte es Miron – was so viel heißt wie ›reich an Frieden‹.

Die OSZE hat später festgestellt, dass Russland das Gebäude bewusst als Ziel ausgewählt und damit ein Kriegsver­brechen begangen hat. Der Fotograf selbst sieht sein Werk auch als Beweis dafür und hofft, dass es in einem zu­künftigen Prozess gegen Russland Verwendung findet. •