Blaue Mark
Nach dem Absturz der ÖVP und dem Aufstieg der FPÖ auf Bundesebene stellt sich die Frage: Setzt sich dieser Trend bei den steirischen Landtagswahlen fort? Ein Stimmungsbild.
›Prost, dass die Gurgel ned verrost!‹ In der Buschenschank klirren die Gläser, dunkelrosa Sturm sprudelt. Es ist Herbst in der Südsteiermark, und die einst dicht mit Trauben behangenen Weinberge beginnen sich zu lichten. Heuer wieder einmal besonders früh und mit weniger Ertrag als üblich. Hagel, Hitze, Starkregen – die Winzer ächzen. Oben in den Baumkronen wechseln die Blätter gerade ihren Anstrich. Und auch unten steht die Landschaft kurz davor, neu eingefärbt zu werden – zumindest die politische.
September 2024: Österreich wählt einen neuen Nationalrat. Die FPÖ triumphiert, auch in der Steiermark. Damit könnten die Karten bei der bevorstehenden Landtagswahl am 24. November neu gemischt werden. Und plötzlich verschiebt sich der bundesweite Fokus vom Regierungspoker rund um den Ballhausplatz auf das 1.269.801-Einwohner-Bundesland. Denn während die ÖVP gute Chancen hat, den Kanzlersessel zu behalten, steht für die steirische Volkspartei viel auf dem Spiel. Werden ihnen die Blauen den Landeshauptmann streitig machen? Ein Amt, das der ÖVP erlaubt hat, der Steiermark insgesamt sieben Jahrzehnte lang ihre Handschrift zu verleihen.
39,48 Prozent: Vor allem in Leibnitz, dem ländlichen Süden, haben die Freiheitlichen bei der Nationalratswahl das stärkste Ergebnis innerhalb der Steiermark erzielt. Zum Beispiel in Heimschuh, einer von 23 der insgesamt 29 Gemeinden im Bezirk, die auf der Landkarte nun blau erstrahlen. ›Am Land sind die Leut’ halt ein bisschen g’scheiter‹, sagt Erhard Bepp. ›Die in der Stadt sind mit zu wenig Sauerstoff aufgewachsen.‹ Der 63-Jährige blickt auf sein Espresso-Häferl im Kaffeehaus Hubmann in Heimschuh. Mit dem Ergebnis der Nationalratswahl ist Bepp zufrieden, allerdings mit Vorbehalt: ›Es hätt’ sogar noch mehr Blaue geben können.‹ Der Pensionist schwärmt. Vor allem vom steirischen FPÖ-Spitzenkandidaten Mario Kunasek: ›Mit dem kannst reden, der geht zu den Menschen hin.‹ Nähe, die er bei der jetzigen schwarz-roten Landesregierung vermisst. Landeshauptmann Christopher Drexler findet er zu abgehoben: ›Der wurde nicht einmal gewählt.‹
Wörter: 2315
Lesezeit: ~ 13 Minuten
Diesen Artikel können Sie um € 1,50 komplett lesen
Wenn Sie bereits Printabonnentin oder Printabonnent unseres Magazins sind, können wir Ihnen gerne ein PDF dieses Artikels senden. Einfach ein kurzes Mail an office@datum.at schicken.