Achtzig Jahre lang molk Dominika Tschekun Kühe, fütterte Hühner und sang ukrainische Volkslieder. Jetzt, da die Ukraine auf ihre eigene Identität pocht, ist sie plötzlich ein Star.
Wir fahren und fahren. Birken, Eichen, Kiefern, Stangenwälder in Reih und Glied. Flachland. Immer wieder Straßensperren, eine unendliche Slalomfahrt zwischen Militär-Checkpoints, gebaut aus Panzersperren, Autoreifen, Sandsäcken. Gelegentlich rumpelt unser Wagen durch ein Schlagloch.
Im Radio läuft ukrainische Popmusik. Ein Cover des russischsprachigen Kriegsliedes Ya soldat, ›Ich bin Soldat‹ der Band 5’nizza. Der Leadsänger veröffentlichte eine Version auf Ukrainisch, denn Sprache ist in der Ukraine eine sensible Angelegenheit. Seit einigen Monaten darf Musik von Interpreten, die nach der ukrainischen Unabhängigkeitserklärung von 1991 die russische Staatsbürgerschaft haben oder hatten, nicht mehr in der Öffentlichkeit gespielt werden.
Ich bin Soldat – glaubt mir,
ich wollte nie Krieg.
Ich bin Soldat und spucke
auf offene Wunden.
Ich bin Soldat, wir sind Söhne
eines freien Landes.
Ich bin Held und sie werden
Romane über mich schreiben.
Unser Ziel: Stari Koni, ein Dörfchen an der Grenze zu Belarus, im entlegensten Winkel der Westukraine. In Stari Koni lebt die alte Bäuerin Dominika Tschekun. Dominika Tschekun, die alle nur Baba (›Oma‹) Dania nennen, wurde erst im Alter von über 80 Jahren ein Star. Und jetzt, da im ganzen Land Artilleriegeschosse dröhnen, feiert die Avantgarde in Lwiw und Kiew mit Ehrfurcht die zerbrechliche, kehlig-zarte Stimme dieser Greisin.
Tschekun gilt als Hüterin traditioneller ukrainischer Ritualgesänge, Balladen und Liebeslieder. Viele ihrer Lieder handeln vom Leben und Leiden ukrainischer Bauern. Tschekun selbst arbeitete bis zu ihrer Pension als Melkerin und schloss nur vier Volksschulklassen ab. Jahrelang sang sie in der Dorfkirche und auf Hochzeiten, beim Rinderhüten gegen die Langeweile und bei der Roggenernte gegen die Erschöpfung. Noten lesen hat sie nie gelernt.
Wörter: 3120
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