Das Monster unter uns
Um der korrupten Auswüchse rund um die Regierungsinserate Herr zu werden, brauchen wir drei Dinge: Mut, Verbündete und einen Plan.
Ja, es ist ein Monster, anders lässt es sich kaum beschreiben. Ein Monster, über Jahrzehnte gewachsen, giftig, Angst einflößend, schwer zu fassen – und mehrere hundert Millionen Euro schwer. Das Ungetüm mit dem unscharfen Namen Medienkorruption, das aus der Beziehung von Politik und Medien entstanden ist und von beiden genährt wurde und dessen hässliche Fratze im Zuge eines Verfahrens der Staatsanwaltschaft gegen Sebastian Kurz, sein engstes Umfeld, zwei Marktforscherinnen und die Verlegerbrüder Fellner nicht nur sichtbar, sondern auch dokumentiert geworden ist, hat längst eine tatsächlich bedrohliche Dimension. Es untergräbt die Glaubwürdigkeit der freien Presse. Es bestärkt all jene, die meinen, ›die Medien‹ würden ohnehin mit der Politik unter einer Decke stecken. Es desavouiert die Arbeit aufrichtiger Journalistinnen und Journalisten. Es ruiniert die demokratische Öffentlichkeit und den medialen Diskurs. Es kostet uns alle ein Vermögen und bringt außer einigen notorisch habgierigen Verlegern niemandem etwas. Aber wie bekämpft man ein Monster?
I. Dem Schrecken ins Gesicht schauen
Der erste Schritt ist immer gleich: Die Hände vom Gesicht nehmen, den Mut aufbringen, die Augen zu öffnen und sich das Ungeheuer ganz genau anzuschauen – nüchtern, aber schonungslos. Präzise Analyse statt hysterischem Geschrei. Da wird so manch Unheimliches schnell zum Grotesken, geradezu zum Komischen. Auch zeigt sich: Monster fallen nicht vom Himmel, haben eine Biografie, sind meistens nicht durch und durch böse, sondern immer auch gekränkte Seele, in Abhängigkeit geratene Opfer oder einfach nur unreif und patschert.
Wie sieht es also aus, dieses Monster? Auf 119 Seiten wurde es zuletzt von Expertinnen und Experten des Medienhaus Wien vermessen, ganz aktuell in der Publikation ›Scheinbar transparent‹: Rund 200 Millionen Euro investierte die sogenannte öffentliche Hand im Corona-Jahr 2020 in Werbung in Printmedien und ihre Onlineangebote.
Alles Schmiergeld? Natürlich nicht! In dieser Summe sind auch die Werbeausgaben von staatlichen Unternehmen oder Institutionen enthalten, die selbstverständlich werben sollen und dies völlig legitim und nach professionellen Gesichtspunkten tun.
Ist es insgesamt zu viel Geld? Ja, eindeutig! Ganz besonders, wenn man sich die Werbeausgaben der Ministerien ansieht, die im internationalen Vergleich geradezu grotesk hoch sind. Mehr als 33 Millionen waren es 2020, wovon fast 60 Prozent in die drei Boulevardmedien Kronen Zeitung, Österreich und Heute flossen. Die Summen, für die die Regierung und ihre Ministerien in Österreichs Tageszeitungen und ganz besonders in den drei großen Boulevardblättern inserierten, wuchs in den vergangenen Jahrzehnten stetig an. Von einem wertvollen Zubrot der Zeitungsverlage wurde es für manche von ihnen zu einer essentiellen Erlösquelle – und zunehmend zu einer Bedrohung ihrer eigenen Unabhängigkeit.
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