Der Witz als Ventil

Kann Humor die Macht erschüttern oder spielt das Gelächter der Untertanen den Herrschenden in die Hände? Überlegungen eines Satirikers.

DATUM Ausgabe Oktober 2020

Donald Trump kann nicht lachen. Das mag wie ein Kitschgedanke klingen – der Fürst des Bösen mit dem Herzen aus Stein und dem Zwerchfell aus Stahl, und wer ihn doch einmal zum Lachen bringt, der erbt sein halbes Königreich und die Hand von Melania – doch es stimmt. Gewiss, auf manchen Bildern sieht man ihn grinsen, über die Niederlage eines Gegners oder aus Freude über einen Triumph, und auf manchen versucht er zu lächeln, um präsidial zu wirken. Aber ich kenne kein Bild oder Video, das ihn bei einem spontanen Lachen ertappt – und sei es auch nur ein ge­­spieltes, wie das, mit dem österreichische Politiker in den › Seitenblicken ‹ ihre eigenen Pointen begackern. Nicht nur mir fällt das auf. › He was never laughing ‹, befindet der Late-Night-Comedian Bill Maher in seiner vorgezogenen Totenrede auf Trump. 

Dabei hat Trump durchaus Humor. Oder sagen wir : Trump kann Witze machen. Vorzugsweise über andere. Doch bei manchen seiner großmäuligen Aussagen – › I, in my great and unmatched wisdom ‹, Oktober 2019 – fällt es mir schwer, nicht wenigstens einen Funken Selbstironie glimmen zu sehen; und also immerhin ein Bewusstsein des eigenen Klischeebilds. 

Eines aber ist sicher : Trump mag es nicht, wenn jemand anderer über ihn Witze macht. Sieht er sich auf › Saturday Night Live ‹ parodiert, dann ist er beleidigt, bezeichnet die Sendung in einem seiner Tweets als › unwatchable ‹ und › nicht lustig ‹. Und SNL ist nicht die einzige Satiresendung, über die er sich ärgert. Trump beschimpft jeden, der sich öffentlich über ihn lustig macht. (Sofern es im Fernsehen geschieht. Ob der Präsident je etwa einen Blick in Howard Jacobsons Trump-Roman › Pussy ‹ geworfen hat, ist nicht bekannt.) 

Für amerikanische Satiriker muss das faszinierend sein. Ein Staatsoberhaupt, das sich von komischer Kritik ganz altmodisch provozieren lässt ? Sie persönlich nimmt ? Und sich nicht zu blöd ist, zurückzufeuern ? Sie lesen diese Zeilen vermutlich in Österreich, einem Land, in dem eine Satiresendung wie › Willkommen Österreich ‹ schon einmal den leibhaftigen Bundeskanzler, Christian Kern, für einen Sketch engagiert. In dem Altpräsident Heinz Fi­­­scher und sein Nachfolger Van der Bellen ein › Ma­­schek ‹-Jubiläumsvideo synchronisieren. Jahrelang gingen die Mächtigen zur Audienz von Fernsehkaiser Palfrader, um sich veralbern zu lassen und gleichzeitig zu zeigen, wie witzig sie sein können (gut gemacht, Peter Westenthaler !). Peter Klien, als Außenreporter von › Willkommen Österreich ‹ an­­geblich › von Politikern gefürchtet ‹ (Trend, 2017), bot diesen die wunderbare Gelegenheit, sich von ihrer lustigen Seite zu präsentieren. Johanna Mikl-Leitner oder Manfred Haimbuchner wirkten plötzlich sympathisch und schlagfertig. Ja, Haimbuchner wurde von Klien im selben Trend-Beitrag auch noch für seinen › guten Wirtshaus-Schmäh ‹ gelobt. Wer würde da nicht gerne mitwitzeln – solange die Reichweite stimmt ? 

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