Als Caritas-Manager war er das Feindbild von Wolfgang Schüssel. Jetzt soll er als Werner Koglers rechte Hand dafür sorgen, dass die Grünen neben Türkis nicht total verblassen. Sein Atout : Stefan Wallner nimmt sich auch nach innen kein Blatt vor den Mund.
Die Tagesordnung verheißt eine Routinesitzung : Keine strittigen Personalia oder Covid-Gesetze, sondern nur ein paar zustimmungspflichtige Formalitäten. Auch der vorletzte Punkt wurde so ohne jede Debatte durchgewunken : Österreichs Beitritt zum Europäischen Plastikpakt, durch den Plastikmüll reduziert werden soll. Kein politischer Heuler, aber die Grünen, die seit Regierungsantritt mit dem Vorwurf leben, sich von den Türkisen unterbuttern zu lassen, wittern die Chance auf einen medialen Soloauftritt. Bei der vorabendlichen Choreografie-Besprechung gestehen die türkisen PR-Strategen Leonore Gewessler einen PR-Stunt bei der Ministerratssitzung auch ohne türkisen Zwilling zu. Die grüne Infrastrukturministerin absolviert tags darauf kurz vor Mittag tapfer ihren geplanten Lobgesang auf das Öko-Abkommen, wohlwissend, dass er null Niederschlag finden wird. Eine Katastrophenmeldung in den frühen Morgenstunden hat alle Pläne über den Haufen geworfen.
Die Politik der Grünen steht ab sofort greller denn je im Scheinwerferlicht, aber nicht wegen des Umgangs mit Plastikmüll, sondern wegen des Scherbenhaufens der europäischen Flüchtlingspolitik, dem brennenden Flüchtlingslager auf Lesbos.
› Die Bilder aus Moria machen tief betroffen ‹, sagt Gewessler. Rasche Hilfe sei › ein Gebot der Menschlichkeit ‹. Flüchtlinge, zuvorderst Kinder, aus Moria aufzunehmen, bleibe › Position der Grünen ‹.
Die Botschaft, die als Position der türkis-grünen Regierung hängen bleibt, ist eine total andere. › Gewaltbereite Migranten haben kein Recht auf Asyl ‹ (Karl Nehammer). › Das Geschrei nach Verteilung der Flüchtlinge ist nicht die Lösung ‹ (Alexander Schallenberg).
Einer, der an einem der ersten Septembertage sichtlich besonders leidet, steht nicht auf der Medienbühne. Stefan Wallner ist erst im Juni als Kabinettschef bei Werner Kogler eingerückt. Sein Auftrag : ein Gegengewicht zur übermächtigen türkisen Message-Kontrolltruppe aufzubauen. Sein Vorgänger, Dieter Brosz, war an dieser Herkulesaufgabe gescheitert. Dem 49-jährigen Wallner eilt nicht nur bei den Ökos der Ruf eines hemdsärmeligen Machers voraus. An diesem Tag spürt er nur Ohnmacht. › Für jemanden wie mich, der aus der Caritas kommt, ist es besonders schmerzhaft zu sehen und zu hören, wie empathielos mit einem derart sensiblen Thema umgegangen wird ‹, macht er sich in den Stunden danach im kleinen Kreis ein wenig Luft. › Hier wird eine von oben vorgegebene Linie beinhart exekutiert. ‹
Wörter: 3299
Lesezeit: ~18 Minuten
Gerne lesen wir Ihr Feedback und würden Sie bitten uns mitzuteilen, was wir bei der Bezahlfunktion besser machen können.
Diesen Artikel können Sie um € 1,50 komplett lesen.
Die Bezahlung erfolgt via PayPal.
Nach Bezahlung ist der Artikel 48 Stunden für Sie verfügbar.
Wie übersteht man eine große Krise ? Wie findet man aus einem Ausnahmezustand zurück in den Alltag ? Wie lernt man nach einem Schicksalsschlag wieder lachen ? Wir haben sechs Menschen gefragt, die Unvorstellbares erlebt haben – oder immer noch erleben.
Wie gut eignen sich Wissenschaftler, Experten und andere Auskenner als Idole in Krisenzeiten ? Ein DATUM-Tischgespräch mit Lisz Hirn, Niki Popper, Martin Thür und Eva Zeglovits.
Die Party ist schon vor Monaten der Pandemie zum Opfer gefallen. Was wurde seither aus dem Rausch in Gemeinschaft ? Wir haben Menschen gefragt, die ihn besonders gut kennen.