Die Pflegekinder

In Österreich versorgen zehntausende Jugendliche ihre Angehörigen – oft still und unbemerkt. Warum bekommen sie so wenig Unterstützung? Und was würde ihnen helfen?

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Fotografie:
Ursula Röck
DATUM Ausgabe Juni 2025

Es beginnt meistens früh am Morgen, wenn draußen noch Dunkelheit herrscht. Da wecken Darline die Hilferufe ihrer Großmutter. Sie steigt aus ihrem Bett, zieht sich Gummihandschuhe an und setzt eine FFP2-Maske auf. Dann nimmt sie die Treppen nach unten ins Erdgeschoß des kleinen Reihenhauses in der Wiener Donaustadt.

Das Schlimmste an dem, was folgt, sagt Darline, sei der Geruch. Ihre Oma lebt seit einer Krebserkrankung mit einem künstlichen Darmausgang. Aus ihrem Bauch ragt ein kleines, rotes Stück Darm, ihr Stuhl sollte sich in einem daran befestigten Beutel sammeln. Allerdings ist der Ausgang manchmal undicht. Immer wieder reißen Schläuche ab. Während ihre Großmutter noch schläft, sickert der Inhalt in Leintuch und Decke.

Darline zieht dann die Bettwäsche ab, duscht ihre Großmutter und klebt einen neuen Beutel an ihren faltigen Bauch. Manchmal ist der Geruch so stark, dass sie sich übergeben muss. ›Ich mach das so heimlich wie möglich, damit sich meine Oma nicht schämt‹, sagt Darline, ›sie kann ja nichts dafür, dass sie Hilfe braucht‹. 

Wenn sich Darline wieder gefasst hat, streicht sie als nächstes für ihren Urgroßvater Marmelade auf eine Scheibe Brot und kocht Kaffee. Auch er wohnt hier im Reihenhaus. Eine Zeit lang teilten sich die beiden sogar ein Bett, damit er nicht alleine schlafen muss. Nach dem Frühstück bringt sie ihm seine Tabletten: Thrombo ASS zur Blutverdünnung, Atorvastatin, um seinen Cholesterinspiegel zu senken, Escitalopram zur Beruhigung und Lasix, damit sein Körper Wasser lässt.

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