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Die schwierige Auferstehung eines Waldes

Als Kambodschas Regierung einen geschützten Wald zur Rodung freigibt, fällt die öffentliche Empörung heftig aus. Jetzt sorgt die Wiederaufforstung für neue Probleme.

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Übersetzung und Adaption:
Manuel Kronenberg & Katharina Brunner
DATUM Ausgabe Oktober 2022

Rauchschwaden steigen auf hinter einer Flotte von Baggern und Bulldozern, die die Stämme und Überreste gefällter Bäume aufhäufen. Sie räumen auf, in einem geschützten Wald, den sie erst wenige Tage zuvor abholzten.

Die Bäume stapeln sich meterhoch und Kem Khim, die in einem Dorf nahe des Waldes wohnt, hat leichtes Spiel. Sie sammelt Holz, um es für Zäune und zum Heizen zu verwenden. Mit jedem Schlag ihrer Machete wächst der Holzstapel, den sie nach Hause bringen will. Neben Khim sind noch etwa hundert andere Nachbarn gekommen, gemeinsam mit den schweren Maschinen ebnen sie den Weg für eine rasche Wiederaufforstung. 

Damit geht eine Woche zu Ende, die mit der Rodung riesiger Baumbestände im kambodschanischen Phnom-Tamao-Wald begann. In dem Gebiet, nur 40 Kilometer südlich der Hauptstadt Phnom Penh, sollte eine Stadt gebaut werden, doch die Pläne stießen auf heftige Kritik. Eine Welle der Empörung auf Social Media veranlasste Premierminister Hun Sen schließlich, die Rodung zu stoppen. Nach der plötzlichen Kehrtwende versuchen Aktivisten, Naturschützer, Ökologen und politische Analysten, sich einen Reim auf den bedeutsamen Fall von Phnom Tamao zu machen.

Die Wälder Kambodschas sind in den vergangenen Jahrzehnten zum Sinnbild für Abholzung geworden. Nach Angaben von Global Forest Watch hat das Königreich zwischen 2001 und 2019 mit fast 22.000 Quadratkilometern mehr als 20 Prozent Waldfläche verloren, das ist mehr als die Fläche Israels. Vom ersten Moment an waren die Pläne für eine Abholzung und Bebauung von Phnom Tamao umstritten. Das Land, das bislang in staatlicher Hand war, wurde an verschiedene Bauunternehmen übertragen. Unternehmer und Regierungsbeamte verloren jedoch kein Wort über die geplante Nutzung des Schutzgebiets, in dem auch ein Zoo und ein Wildtierzentrum angesiedelt sind.

Doch geleakte Dokumente, Social-Media-Posts und Plakatwerbung deuteten auf den Plan hin, eine Stadt in unmittelbarer Nähe des neuen Flughafens zu errichten, der 2023 fertiggestellt werden soll. ›Man hat mir immer gesagt, dass dieser Wald sicher ist und ihn niemand anrühren würde‹, sagt Nick Marx, Direktor für die Rettung und Pflege von Wildtieren bei der Naturschutzorganisation Wildlife Alliance. 

Seit fast zwei Jahrzehnten nutzt Wildlife Alliance den geschützten Wald rund um das Wildtierzentrum, um gerettete Tiere auszusetzen. Die Organisation habe Hunderte von Tieren freigelassen, sagt Marx, darunter mehrere bedrohte Arten, die auf der Roten Liste der Weltnaturschutzunion (IUCN) stehen.

›Der Wald ist eine Keimzelle für die Wiederbesiedlung anderer Gebiete‹, sagt Marx. ›Er ist extrem wertvoll für den Erhalt der Wildtiere in Kambodscha.‹ Als er von den Bebauungsplänen erfuhr, stellte Marx 18 Kamerafallen im Wald auf. Sie machten Bilder von verschiedenen Tieren wie Sambars – das sind sehr große Hirsche –, Wildschweinen, Greifvögeln wie den Brahminenmilanen und Zibetkatzen. Für Marx ein eindeutiger Beweis, wie bedeutend dieser Lebensraum ist. Trotz des Widerstands gegen die Pläne begann Ende Juli die Abholzung. Nach einer Wochen waren schon rund 600 Hektar gerodet.

Die Geschwindigkeit und das Ausmaß der Rodungen lösten eine Welle der Empörung in den Sozialen Medien aus. Schon am ersten Tag schauten sich Tausende von Menschen Videos von Planierarbeiten an. Sofort kursierten Hashtags wie #SavePhnomTamao. Auch Marx lud Videos auf Facebook hoch; seine Botschaften wurden Zehntausende Male aufgerufen.

Die Forstverwaltung verteidigte die Abholzung und behauptete, dass es in dem Wald keine gefährdeten Arten gäbe, wilde Tiere außerdem eine Plage für Bauern wären. Damit verstärkte sie den Gegenwind nur noch weiter.

Die Zahl der Videos, Kommentare und Artikel über Phnom Tamao stieg und stieg, bis am 7. August ein Facebook-Post von Premierminister Hun Sen, dessen Regierung das Projekt erst ermöglicht hatte, die Bulldozer und Bagger zu einem abrupten Stillstand brachte. 

Hun Sens Posting wurde faktisch Gesetz; es annullierte den Landtausch und die Genehmigungen für eine Bebauung des Schutzgebietes. Der Premierminister verfügte, dass das Land an das Ministerium zurückgegeben werde, mit der Anweisung, den Wald rund um den Zoo und das Wildtierzentrum zu schützen.

Hun Sen wies die Unternehmen nicht nur an, die Rodungsarbeiten einzustellen. Sie sollten die gerodeten Flächen außerdem wieder aufforsten. Er sagte, es habe ›viele Bitten an die königliche Regierung gegeben, den Wald zu erhalten‹, und er dankte sogar denjenigen, die ›konstruktive Kommentare‹ abgegeben hätten.

Für Ly Chandaravuth, Aktivist von Mother Nature Cambodia, der verschiedene Kampagnen zur Rettung des Waldes organisiert hatte, war die öffentliche Empörung ein wichtiges Druckmittel auf die Regierung, aber lange nicht der einzige Grund für Hun Sens Einschreiten.

›In Kambodscha stehen 2023 nationale Wahlen an. Hun Sens Entscheidung rettete nicht nur den Wald, sondern auch die Popularität der Regierungspartei‹, sagt er.

Sam Seun, politischer Analyst an der Königlichen Akademie von Kambodscha, stimmt zu: Die Entscheidung des Premierministers habe der kambodschanischen Volkspartei Ansehen eingebracht, insbesondere unter der internetaffinen Bevölkerungsgruppe des Königreichs. ›So viele junge Menschen leben in Kambodscha, und fast alle nutzen Soziale Medien‹, sagt Seun. ›Deshalb haben soziale Medien hier so einen großen Einfluss.‹

Später, am 19. August, unterzeichnete König Norodom Sihamoni ein königliches Dekret, das den verbleibenden Wald sowie die wieder aufzuforstende Fläche zum Schutzgebiet für Wildtiere erklärt. Der König bekräftigte außerdem den Schutz des Zoos und der Rettungseinrichtungen. Phnom Tamao ist nun offiziell und auf Dauer geschützt.

Es ist ein Sonntagmorgen im August, als Hun Sen die Aufforstung von Phnom Tamao anweist. Bereits am nächsten Tag um acht Uhr beginnen die Arbeiten. Khim, die ihr ganzes Leben im Dorf Kandoeung Toch an der Grenze zu Phnom Tamao verbracht hat, eilt zusammen mit Dutzenden ihrer Nachbarn herbei. Tagelang sammeln sie Holz von den gerodeten Flächen. Voll beladene Motorräder, Minivans, Lastwagen und sogar ein Eiswagen verstellen die einspurige, sandige Straße, die zum nordöstlichen Rand von Phnom Tamao führt.

›Hier haben sie den Wald bereits zerstört. Uns bleibt nichts anderes übrig, als das Holz zu sammeln. Die Bäume sind leider schon tot‹, sagt Khim. Sie habe zuvor noch nie erlebt, dass jemand versucht hätte, das Gebiet zu erschließen. ›Ich hoffe, dass es niemals wieder jemand versucht.‹

›Ich bin froh, dass das Projekt gestoppt wurde, bevor noch mehr Wald verlorenging‹, sagt Khim. ›Jetzt werden die ersten Bäume gepflanzt, und ich werde hoffentlich noch erleben, wie sie groß werden, auch wenn das noch lange dauern wird.‹

Leng Navatra, Immobilienmagnat und einer der Bauunternehmer, die für die Abholzung des Waldes verantwortlich sind, brachte sich schnell in Stellung. In der Woche der Rodungsarbeiten kursierte im Internet noch der Hashtag #BoycottNavatra. Dann, fast zeitgleich mit dem entscheidenden Facebook-Beitrag des Premierministers, postete auch Navatra auf der Plattform und rief ›alle Baumliebhaber‹ auf, sich ihm in Phnom Tamao anzuschließen, um bei der Wiederaufforstung zu helfen. Später versprach er, tausend Setzlinge zu spenden, um die Bäume zu ersetzen, die seine schweren Maschinen umgeworfen hatten.

›Wenn ihnen der Wald wirklich am Herzen läge, hätten sie ihn gar nicht erst abholzen dürfen‹, sagt Chandaravuth. ›Die Menschen waren seit der Ankündigung der Pläne dagegen. Regierung und Bauunternehmen hätten sich mit der Zivilgesellschaft beraten und auf die öffentliche Meinung hören sollen.‹

Hun Sen meldete sich knapp zwei Wochen später erneut auf Facebook. In einer ›Sonder-Audiobotschaft‹ wies er tausend Mitglieder seiner persönlichen Leibwache an, die Aufforstungsarbeiten zu leiten. Erst einen Tag zuvor hatten seine Leibwächter laut der Menschenrechtsorganisation Licadho vier Aktivisten und fünf Journalisten in Phnom Tamao verhaftet.

Doch knapp 500 Hektar des gerodeten Waldes sollen laut zuständigen Beamten jetzt neu bepflanzt werden – mit drei Luxusholzarten.

›Aufforstung ist ein sehr weit gefasster Begriff für jegliches Pflanzen von Bäumen. Nicht immer bedeutet das auch die Wiederherstellung des Waldökosystems‹, sagt Stephen Elliott, Leiter der Forschungsstelle für Walderneuerung der Universität Chiang Mai. ›Wenn man wirklich das ursprüngliche Ökosystem wiederherstellen und nicht nur das Land mit Bäumen zuwuchern lassen will, braucht man Zeit.‹

Die hastige Wiederaufforstung in Phnom Tamao, die späte Jahreszeit, die eingesetzten Baumarten, die Anzahl der gepflanzten Setzlinge und die Abstände zwischen den Setzlingen – all das widerspricht Elliotts fast 30-jähriger Erfahrung bei der Wiederherstellung von Wäldern in der Region.

Die Hälfte der Setzlinge werde bis März abgestorben sein, prognostiziert der Forscher. «Das Schwierigste ist, die Bäume durch die erste Trockenzeit zu bringen», sagt Elliott. Die Setzlinge brauchen vor allem Wasser und Zeit zum Wachsen, bevor die Trockenzeit beginnt. Im August sei es einfach zu spät zum Pflanzen.

Phnom Tamao ist ein sommergrüner Wald mit vorwiegend Flügelfruchtgewächsen, der am weitesten verbreitete Waldtyp in Kontinental-Südostasien. Bis zu 80 Baumarten können in einem solchen Wald wachsen. Die Anpflanzung von drei Arten sei besser als nichts, sagt Elliot, werde aber die Wiederherstellung des Ökosystems um Jahrzehnte verzögern. Der Plan, 204 Bäume pro Hektar zu pflanzen, sei ›ein Tropfen auf den heißen Stein‹, eigentlich sollten es laut Elliot etwa 3.000 Bäume pro Hektar sein.

Der Forscher glaubt, dass es sich um eine kommerzielle Aufforstung handle, um eine neue Holzplantage zu errichten: ›Wer auch immer die Lizenz zum Abholzen dieses Ortes erhält, wird ein absolutes Vermögen machen. Wenn die Bäume überleben.‹ Umweltschützer überlegen inzwischen, ob und wie die Rolle der Öffentlichkeit bei der Erhaltung des Phnom-Tamao-Waldes auf andere Schutzgebiete übertragen werden kann.

Für Chandaravuth jedenfalls ist die Kampagne zur Rettung von Phnom Tamao eine Fallstudie zur ›Macht der Öffentlichkeit‹ beim Naturschutz. ›Wir müssen kreative Wege finden, um eine Vielzahl an Menschen für unsere Umwelt zu begeistern‹, sagt er. ›Wenn genug Menschen für Naturschutz einstehen, wird die Regierung auf sie hören.‹ •

Dieser Artikel ist im Original bei Southeast Asia Globe erschienen und in Zusammenarbeit mit dem Rainforest Investigations Network des Pulitzer Centers entstanden.

Mitarbeit: Sophanna Lay

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