›Jeder Krieg geht zu Ende‹

Die Historikerin und Schriftstellerin Oleysia Khromeychuk über ihr missverstandenes Heimatland, den Umgang mit Aggressoren wie Russland und die Rolle der Medien.

DATUM Ausgabe Oktober 2022

In ihrem 2022 erschienenen Buch ›The death of a soldier told by his sister‹ verarbeitet die aus der Ukraine stammende Historikerin Olesyia Khromeychuk den Tod ihres Bruders als Soldat der Ukrainischen Armee im Jahr 2017. Es ist ein sehr persönliches und ehrliches Buch. Es geht um falsch verstandenes Heldentum, das widersprüchliche Leben in der ukrainischen Diaspora, vor allem aber um die kaum beschreibbare Trauer als zwingendes Ergebnis eines jeden Krieges. 

Khromeychuk kam im Jahr 2000 mit 16 Jahren nach London. Nach dem Geschichtsstudium dort und in Oxford unterrichtete sie am King’s College sowie in Cambridge die Geschichte Zentral- und Osteuropas. Derzeit leitet sie das Ukrainian Institute London. Am 1. Oktober besuchte sie für einen Vortrag das Vienna Humanities Festival des Instituts für die Wissenschaft vom Menschen (IWM) in Wien. Das Gespräch mit DATUM fand am 20. September, kurz nach den militärischen Erfolgen der Ukrainischen Streitkräfte im Osten des Landes, via Zoom in englischer Sprache statt. Ergänzende Fragen zur jüngsten Eskalation durch Russland wurden per E-Mail beantwortet. 

Vergangene Woche waren Sie in der Ukraine. Wie haben Sie die Atmosphäre dort erlebt, so kurz nach der erfolgreichen Rückeroberung großer Gebiete im Osten des Landes?

Olesyia Khromeychuk: Es war eine sehr emotionale Reise für mich war, denn es war der erste Besuch in der Ukraine nach der offenen Invasion Russlands am 24. Februar 2022. Was ich sowohl in meiner Heimatstadt Lwiw als auch in Kiew gespürt habe, war ein Gefühl der vorsichtigen Begeisterung, eine Freude darüber, dass die Ukraine nicht nur verteidigt, sondern beginnt, Gebiete zurückzugewinnen und vor allem Landsleute aus der Besatzung zu befreien. Sie dürfen nicht vergessen: Die ukrainische Bevölkerung weiß, wie schrecklich die russische Besatzung ist – nicht erst seit dem 24. Februar, sondern seit acht Jahren. Und wir wissen seit 2014 auch, wie brutal sie ist. Auch wenn aus dieser Zeit noch keine Massengräber wie in Butscha oder Isjum entdeckt wurden, so gibt es Konzentrationslager, wie das berüchtigte Foltergefängnis ›Isoljazija‹, in einer ehemaligen Kunstgalerie, wo ukrainische Gefangene gefoltert und unter grauenhaften Bedingungen gefangen gehalten werden. Also die Vorstellung, Menschen aus der Besatzung zu befreien, macht Hoffnung – man sieht es ja auch an den herzerwärmenden Videos, wenn die ukrainischen Soldaten in den Dörfern empfangen werden. Gleichzeitig herrscht große Angst vor den Verbrechen, die im Zuge dieser Befreiung sichtbar werden und natürlich die Sorge vor Vergeltungsschlägen durch Russland. 

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