Editorial Juni 2021
Liebe Leserinnen und Leser !
Noch bevor klar war, wie sich die erste Öffnungsrunde auf die Inzidenzen auswirken würde, haben die Regierungsparteien begonnen, einander mit weiteren Lockerungsvorschlägen zu übertrumpfen. Sperrstunde, Abstandsregeln, Maskenpflicht: alles steht wieder auf dem Prüfstand, und man kann – frei nach Rudi Anschober – davon ausgehen, dass die nächsten Wochen enthemmend sein werden.
Verstehen Sie mich nicht falsch : Eine Rücknahme der Grundrechtseingriffe ist angesichts fallender Infektionszahlen und steigender Durchimpfungsrate nicht nur gerechtfertigt, sondern notwendig. Die Sorglosigkeit, die die Regierung dabei sowohl im Ton als auch im Detail an den Tag legt, irritiert jedoch. So sorgte bezeichnenderweise die Frage, wann wer was verkündet für weitaus mehr Streit als etwa der Umstand, dass Österreicher schon drei Wochen nach der ersten Impfung von der Testpflicht entbunden werden – während etwa Deutsche darauf erst nach vollständiger Immunisierung verzichten dürfen.
Offen ist auch noch, wann die Regierung jene Hausaufgaben erledigen wird, ohne die wir spätestens im Herbst mit einem Wiederaufflammen der Pandemie rechnen müssen : Wann beginnt sie mit dem systematischen Testen von Kindergartenkindern ? Wann stattet sie Schulen endlich mit Luftfiltern und CO2-Messgeräten aus ? Und was unternimmt sie, um jene Menschen umzustimmen, die Impfangebote entweder ignorieren oder ablehnen ?
Die nächsten Wochen werden der Regierung also noch einiges an Ideen abverlangen – und uns allen ein gerüttelt Maß an Verantwortungsbewusstsein. Womit wir auch schon beim Schwerpunkt dieser Ausgabe wären :
Gemeinsam mit Madeleine Alizadeh sind wir der Frage nachgegangen, welchen Beitrag Unternehmerinnen und Unternehmer dazu leisten können, unsere Welt umweltbewusster, sozialer und inklusiver zu machen. Alizadeh, die unter dem Namen ihres Blogs › Dariadaria ‹ bekannt wurde, beschäftigt sich intensiv damit, seit sie vor vier Jahren selbst ein der Nachhaltigkeit verpflichtetes Label gegründet hat, weil sie nicht warten wollte, bis die Modewelt von alleine (oder durch Regulierung) lernt, ohne › die Ausbeutung von Mensch, Tier und Natur ‹ auszukommen.
Die 31-Jährige ist nicht alleine mit ihrem Versuch, Idealismus und Kapitalismus zu verbinden. › Ohne »Purpose« geht schon lange nichts mehr ‹, konstatierte vor Kurzem die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung. › Gemeint ist mit dem Anglizismus sinnstiftendes Handeln jenseits der Gewinnmaximierung für die Eigentümer. Der Shareholder Value als einziges Unternehmensziel ist also passé, eine Firma ist nicht länger nur zum Geldverdienen da, sie soll auch etwas Gutes in der Welt bewirken. ‹
Handelt es sich dabei um die Keimzelle eines konstruktiven Kapitalismus ? Oder bloß um ein verspieltes Hobby einer postmateriellen Generation ? DATUM-Herausgeber Sebastian Loudon liefert eine Einordnung dieses › woken ‹ Unternehmertums. Miriam Steiner porträtiert zwei Unternehmerinnen, die ihre Firma als Sprachrohr für Minderheiten nützen. Lukas Kapeller hat eine Genossenschaft besucht, die einen fairen Supermarkt schaffen will. Sarah Kleiner und Luise Jäger erzählen, wie ein Fall von Inklusion am Arbeitsplatz den Erfolg des barrierefreien Internets befördert hat. Und last but not least resümiert Wolf Lotter, einer der Gründer des deutschen Wirtschaftsmagazins brand eins, was benötigt wird, damit sich wirklich etwas ändert. •
Machen Sie es gut !
Ihre Elisalex Henckel