Ein Leben im Tag von … Katharina Seiser

Die Kochbuchautorin über Fertiggerichte, Eisbaden und Sexismus.

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Fotografie:
Gianmaria Gava/Brandstätter Verlag
DATUM Ausgabe Februar 2024

Ich genieße das Privileg, als Selbstständige frei von einem Wecker ­aufwachen zu dürfen. Und ab dann ­begleiten mich Essen und Kochen den ganzen Tag – entweder in Gedanken oder beim Zubereiten von Essen. Ich kann mir nichts Schöneres vorstellen.

Je nach Jahreszeit verlaufen meine Tage dann etwas unterschiedlich. Im Sommer kann es durchaus vor­kommen, dass ich als erstes in die Neue Donau hüpfe. Aber es ist Winter, und auch wenn Eisbaden gerade recht angesagt ist: Ich bin, glaube ich, schon zu alt für diese Dinge.

Unabhängig von der Jahreszeit brauche ich morgens eine Tasse Grüntee – kein Kaffee, der ist mir um diese Uhrzeit viel zu laut im Mund. Es ist von zentraler Bedeutung, dass der Tee die richtige Temperatur hat. Ich habe mit dem Thermometer nachgemessen, und meine ideale Trinktemperatur liegt bei 55 Grad. Relativ heiß. Wenn mir ein Telefonat dazwischenkommt und der Tee auskühlt, bin ich den Rest des Tages einigermaßen unleidlich.

Ich gehöre außerdem zu der ­seltenen Spezies Mensch, die jeden Tag unbedingt etwas anderes frühstücken muss. Ich kann nicht zwei Tage hintereinander das Gleiche essen – allein der Gedanke löst in mir Beklemmungs­gefühle aus.

Bis zum Mittagessen arbeite ich meistens an Texten oder Büchern. Das bedeutet für mich vor allem Recherchieren. Check, Re-Check und Double-Check gilt auch bei Kochbüchern. Ich versuche auf dem neuesten Stand der Wissenschaft zu sein und lese mich manchmal stundenlang in Dinge wie die Beschaffenheit von japanischen ­Teekannen ein, obwohl ich eigentlich nur einen Text über Tee schreiben wollte. Als Konsequenz schreibe ich, so sagt man mir nach, die mitunter ­bestrecherchierten Kochbücher des Landes – ich würde sogar so weit gehen und sagen: Recherche ist meine ­Lieblingsspeise.

Mittagessen ist dann für mich ein großes Problem. Ich übersehe beim ­Arbeiten gern die Zeit und komme gegen drei Uhr am Nachmittag ­plötzlich drauf, dass ich hungrig bin. Dieses Problem löse ich mit einem Blick in die Gemüselade. Mein Mann und ich haben seit 13 Jahren einen Ernte­anteil vom Gärtnerhof Ochsenherz. Das heißt, wir bekommen jede Woche frisches Gemüse und holen es von unserem Stand am Naschmarkt ab. Um die besten Sachen ist immer ein Griss, weshalb wir schon früh da zu sein versuchen. Ab einer gewissen ­Uhrzeit stößt die Basisdemokratie nämlich an ihre Grenzen und das Recht der Stärkeren setzt sich durch.

Auf Convenience-Speisen würde ich selbst bei großem Zeitmangel nie zurückgreifen. Nicht falsch verstehen: Ich betrachte meinen Körper nicht als Tempel, und was mir nach meiner Wahl vorgesetzt wird, esse ich in der Regel auch. Aber Fertiggerichte ­schmecken alle gleich. Die sind wie vorgefertigtes Tierfutter, das man aus dem Sack in den Trog leert. Dieser Geschmack frustriert mich.

Seit ich mehrere Bandscheiben­vorfälle hatte, gehe ich einmal am Tag eine Praterrunde. Im Idealfall mit ­meinem Mann. Zweimal die Woche haben wir live Rückenturnen via Zoom. Das ist angenehm, weil wir dafür nicht vor die Tür müssen, und witzig, weil wir über eine Kamera beim Turnen korrigiert werden.

Nach dem Abendessen schmeißen sich mein Mann und ich dann auf unser Sofa und schauen Serien. Wir machen dabei jedes Mal ritualartig den Bechdel-Test. Das bedeutet, wir achten darauf, in welcher Rolle Frauen in einer Serie vorkommen, ob sie miteinander sprechen und ob sie miteinander über etwas ­anderes außer über Männer reden. ­Dieser Test endet oft negativ.

Bevor ich einschlafe, überlege ich noch, was es am morgigen Tag zu essen geben könnte. Mein Mann findet das komisch. Wenn er da ist, bespreche ich es trotzdem mit ihm, wobei egal ist, ob er dabei schon wegnickt oder nicht. Ich schlafe jedenfalls besser, wenn ich weiß, was ich morgen zum Frühstück esse. •

Katharina Seiser (49) ist Köchin, Journalistin und Autorin diverser Kochbücher. Ihr jüngstes Buch ›Österreich express: Schnelle Klassiker & Lieblingsrezepte‹ ist Ende vergangenen Jahres im Brandstätter Verlag erschienen.