Ein Leben im Tag von … Sophie Lindinger

Die Musikerin über Träume, Depressionen und Open-World-Games.

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Fotografie:
Hanna Fasching
DATUM Ausgabe Mai 2024

Wenn ich zu Hause in Wien bin, wache ich meist gegen 8:30 auf. Mich weckt immer meine Katze, weil sie dann Hunger hat. Manchmal ist es schade, dass ich nicht einfach weiterschlafen kann, denn ich träume sehr viel. Oft sind diese Träume lustig, sodass ich sie gerne weitererlebt hätte. 

Zuletzt war es etwas makaber. Ich hatte im Schlaf die Vision, mit einer Freundin in einen Autounfall verwickelt zu werden. Ich konnte ihn dann nur verhindern, indem ich die Abfahrt durch den Genuss von ­Pralinen mit Marillensauce verzögert habe. Meinen Freunden schicke ich das Geträumte oft am Morgen als Sprachnachricht.

Während ich auf Tour meistens ab neun Uhr im Kleinbus auf der stundenlangen Fahrt zum Auftrittsort sitze, überlege ich um diese Zeit zu Hause meist sehr lange, was ich frühstücken soll. Oft wird es einfach ein Joghurt mit Früchten und Haferflocken.

In Wien sieht man mich den ganzen Tag fast nirgendwo anders als im Studio. Dorthin gehe ich zu Fuß zehn Minuten. Wenn sich keine Deadlines nähern, experimentiere ich oft mit Sounds, um Inspiration zu finden.

Wenn ich zum Beispiel Gitarre spiele, kommen die Wörter irgendwann einfach aus meinem Inneren ­heraus. Manchmal realisiere ich auch erst Wochen später, was ich da im ­Unbewusstsein niedergeschrieben habe. Daraus wird dann ein Text. Das ist so ein bisschen die Magie, die ich selbst kreieren kann.

Im Musikbusiness ist es aber nicht so, dass ich nur kreativ sein kann, wenn ich es will, sondern als Selbstständige muss ich diese Fähigkeit auch bewusst einsetzen. Der Druck, immer neue Songs liefern zu müssen, ist furchtbar und hat mich schon in eine schwere Depression geführt. Ich habe daraus gelernt, arbeite jetzt nur noch nach meinem Tempo und achte auf meine mentale Gesundheit. Denn nur so kann ich meine beste Musik machen.

Aufgenommene Lieder produziere ich selbst. Wenn ich ein aufgenommenes Lied bearbeite, drehe ich oft ewig nur an einem Sound herum, damit er mir passt. Ich gerate in einen immensen Hyperfokus, in dem ich vier, fünf Stunden alles um mich herum ausblende. Aus dem muss ich mich ­irgendwann wortwörtlich selbst ­herausreißen, damit ich überhaupt einmal etwas trinke.

Natürlich vergesse ich dann auch zu essen. Plötzlich ist es nach 18 oder 19 Uhr und ich realisiere, dass ich acht Stunden lang nichts zu mir genommen habe. Ich speichere meinen ­Arbeitsstand ab, schalte alles aus und gehe heim.

Am Heimweg bin ich oft so fertig, da sind die drei Stationen mit der Bim nach Hause auch okay. Ich besorge mir bei irgendeinem Lebensmittel­geschäft, das noch geöffnet hat, etwas zu essen oder pansche mir zu Hause etwas zusammen – Hauptsache Essen.

Nachdem ich mich den ganzen Tag damit beschäftige, habe ich zu Hause keine Musik laufen. Ich brauche dort Ruhe davon. Am Abend schaue ich dafür etwas auf Netflix oder Youtube. Manchmal habe ich auch so Phasen, in denen ich sehr gerne Computerspiele spiele. Ich mag Open-World-Games wie Subnautica, bei denen man viel sammeln und craften muss. Das ist ganz lustig, weil das ein bisschen wie meine Arbeit ist.

Trotzdem hängen mir die Gedanken an den Song, an dem ich gerade arbeite, auch zu Hause noch nach.
Was ich morgen daran ändern muss, zum Beispiel. Spätabends liege ich ­deshalb ewig im Bett und schlafe erst irgendwann nach elf Uhr mit ihm im Kopf ein.•

Sophie Lindinger (31)
ist eine österreichische Musikerin und Produzentin. Sie tritt solo sowie im Duo Leyya und im Trio My Ugly Clementine europaweit auf. Mit Leyya – 2018 ausgezeichnet mit einem Amadeus in der Kategorie Alternative – veröffentlicht sie Ende August ihr zweites Album ›Half Asleep‹.