›Enttäuschte Fans sind die schlimmsten‹

Wie mich der Kabarettist Andreas Vitásek ignoriert.

DATUM Ausgabe Oktober 2018

Andreas Vitásek nimmt Platz im Schanigarten des Wiener Café Engländer, und von da an ist alles irgendwie schwierig. Viele kennen ihn. Alle erkennen ihn. Ein ständiges Winken, Grüßen, Kopfverdrehen, Tuscheln. Das stört die Konzentration – also meine. Vitásek ist wirklich weltberühmt in Österreich. Seit 2. Oktober ist er mit seinem neuesten, seinem 13. Einzelprogramm auf der Bühne. Er nennt es ›Austrophobia‹. Und es ist politischer als die anderen zwölf.

Aber wie geht heutzutage politische Satire? Wurdet ihr Kabarettisten nicht längst von der Wirklichkeit überholt? Vitásek ignoriert meine platten Einstiegsfragen gnädig, ihn drückt der Schuh woanders: Es sei diese Dauerempörung in Medien und sozialen Netzwerken, die uns allesamt abstumpfe. Wir hecheln jedem noch so unbedeutenden Einzelfall hinterher und merken nicht, wie wir dabei den Blick auf die wirklich wichtigen Dinge verlieren.

Anstatt über Sozialabbau und Ungleichheit zu sprechen, würden wir uns lieber über skurrile Aussagen irgendwelcher Politiker aus der dritten Reihe der FPÖ echauffieren. Dieser Wahnsinn hat Methode – das sind die Nebelgranaten an Nebenfronten, die uns den Blick verstellen sollen. Aber was wurde aus ›Wehret den Anfängen‹? Die Anfänge sind doch längst vorbei. Na bumm. Und was tun die Oppositionsparteien? Sie nehmen sich entweder selbst aus dem Rennen oder drängeln sich auch rechts der Mitte, dabei wäre doch links alles frei. Ich bemerke, wie Vitásek mit Grün, Rot und der Liste Pilz besonders hart ins Gericht geht. Das ist doch klar: Enttäuschte Fans sind die schlimmsten Feinde.

Also gut, warum ›Austrophobia‹? Es geht mir darum, dem österreichischen Minderwertigkeitskomplex auf den Grund zu gehen. Wir stehen uns im Weg und stellen uns dabei das Haxl. Unser Grant würde oft als sympathisch dargestellt, dabei wäre er in Wahrheit doch eine Krankheit. Und dann noch dieses Selbstmitleid! Das gehe ihm wahnsinnig auf die Nerven, sagt er. Vor allem, weil ich es bei mir selbst auch spüre – und es nervt einen ja immer das, womit man selbst zu kämpfen hat.

Also bezieht sich Austrophobia auf die Angst des Österreichers vor sich selbst, vor seiner eigenen Courage? Vitásek schweigt, nickt und fügt hinzu: Und auf die Angst vor seinem tiefsten Inneren. Es ist doch kein Zufall, dass Freud Österreicher war. Also eigentlich war er ja Mährer – haha, siehst du?

Wieder wird gegrüßt und gewunken – und Vitásek grüßt und winkt geduldig zurück. Wir sprechen über die Aufmerksamkeitsspirale der Medien, die Filterblasen in den sozialen Netzwerken und eine zunehmend fragmentierte Öffentlichkeit. Weshalb er nicht selbst auf Facebook aktiv ist? Es sei ohnehin schwierig, einen Rest an Privatheit beizubehalten. Und Facebook ist wie ein großes Fenster, das man aufmacht, und plötzlich speibt einem jemand ins Zimmer. Man kann’s zwar löschen, aber der Gestank bleibt.

Beim Thema Hasspostings wird Vitásek wirklich emotional, diese Verunglimpfungen gehen ihm offenbar nahe. Man kann sich noch so oft einreden, das seien alles nur frustrierte Verrückte mit genau diesen Minderwertigkeitskomplexen – und trotzdem nimmt man es persönlich. In vielen Foren herrsche eine Grundstimmung, die nur so vor Hass und Verachtung strotze. Dafür bräuchte man eine Seele mit Hornhaut – die habe ich nicht. Womöglich sind’s auch nur enttäuschte Fans? Vitásek lacht auf. Das glaub’ ich nicht, aber was weiß man.