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Es braucht eine Demokratie-Biennale

 Warum die Zukunft ihre eigene Werkschau verdient.

DATUM Ausgabe Juni 2017

Titelseiten, Interviews, Studiogespräche: Von der Documenta Kassel – diesmal mit ihrem Schauplatz Athen –, der Kunstbiennale in Venedig und den Filmfestspielen in Cannes haben wir jüngst alle gehört. Als nächstes folgen die Salzburger Festspiele und die Frankfurter Buchmesse. Jede kulturelle und künstlerische Sparte hat ihre große Werk- und Leistungsschau. Turnusmäßig werden da teils seit mehr als hundert Jahren Werke aus allen Himmelsrichtungen eingeladen und an einem zentralen Ort ausgestellt. Besucher können kommen. Schaffende zeigen Trends, verdeutlichen Positionen, verdichten ihre Auseinandersetzungen mit dem Weg der Zivilisation – und all das ist sehr gut so.

Wir könnten eine weitere, neue Biennale brauchen: eine Demokratie-Biennale. Warum eine Bühne für Wahlkämpfer, Agitprop oder Partizipations-Placebo?, mögen die Kritiker fragen. Eine andere Gruppe erinnert daran, dass sich mancher Kurator der Biennale in Venedig bereits intensiv mit Demokratie auseinandergesetzt hat, etwa der Architekt David Chipperfield 2012 unter dem Titel ›Common Ground‹ und der Künstler Okwui Enwezor 2015 unter dem Titel ›All the World’s Futures‹.

Dritte wiederum wollen mehr hören. Ist nicht gerade in Europas Krisenjahren eine rege Szene entstanden, die oft transnational, oft regional, insgesamt dezentral wirkt? Angelika Fitz etwa, heute Direktorin des Architekturzentrums Wien, brachte von 2013 bis 2015 von Toulouse bis Turin tausende Bürgerinnen und Bürger zum gemeinsamen Kuratieren der Wanderausstellung ›Tausche Krise gegen Stadt‹. Auf der jährlichen Republica-Konferenz in Berlin stellen sich die Erfinder neuer Lösungsansätze vor, von ›Algorithm Watch‹ bis zur Lotterie fürs bedingungslose Grundeinkommen. In Österreich geht es beim Pioneers Festival, bei GlobArt, beim Forum Alpbach oder den Tagen der Utopie ebenfalls oft um Demokratie.

Vordenker und Macher dieser Szene machen Vorschläge für die Gestaltung unseres Zusammenlebens. Sie tarieren die Linie zwischen Gemein- und Partikularinteressen neu aus. Sie bringen Bürger als konstituierende Subjekte zu einem gemeinsamen Handeln. Früher ging es da noch um klar abgrenzbare Themen, etwa Energie und Klima, Wirtschaft oder das Internet. Doch bevor in einem Fachgebiet neue Normen und Regeln verhandelt werden können, so lehrt die Erfahrung oft, muss der Boden dafür, das Spielfeld sozusagen, erst einmal durchpflügt und an heutige Bedingungen angepasst werden.

Dann ist es meist nicht weit zur Erkenntnis, dass die Zukunft der Demokratie ein einziges großes Querschnittsfeld ist. Zwei Bausteine, die das bereits zukunftsweisend darstellen: Ende Mai sammelten Praktiker und Theoretiker in einer Konferenz in Brüssel unter dem Titel ›(W)e-democracy: Will Parliament survive the digital era?‹ die Erkenntnisse aus den Bereichen Grund- und Bürgerrechte, Partizipation und digitale Gemeingüter. Und Anfang Juni werden auf der ›Fearless Cities Konferenz‹ in Barcelona Ansätze der Lokaldemokratie, der Menschenrechte und der Gemeingüter-Bewegung zusammenfließen.

In ihrer integralen, strategischen Kraft ist diese Arena der Demokratie-Innovatoren noch völlig unsichtbar. Nirgendwo kann man über die Akteure, Ansätze und Pilotvorhaben verdichtet an einem Punkt einen Überblick bekommen. Deshalb brauchen wir eine Demokratie-Biennale. Die delikateste Frage dabei wird sein, wie wir die Grenzen zwischen den nationalen Pavillons auflösen.