›Fast keiner auf der Straße will uns haben‹
Alfred Aigelsreiter, 55, ist LKW-Fahrer in Maria Lanzendorf.
Wie sind Sie zu Ihrem Beruf gekommen?
Über den damaligen Freund meiner Schwester, der hat als LKW-Fahrer große Karriere gemacht und ist noch bis Saudi-Arabien gefahren. In den Ferien bin ich mit ihm auf eine Tour nach Rotterdam. Das hat mich so fasziniert, dass ich mir gedacht habe, das könnte mein Beruf werden. 1980 hab ich damit begonnen.
Was hat sich seitdem verändert?
Der erste LKW, mit dem ich in Berührung kam, hatte 150 PS, heute hat er 480 PS. Und wir sind nicht mehr die ›Stinker‹, denn der Spritverbrauch hat sich um die Hälfte reduziert. Was sich am bedeutendsten verändert hat, ist die Kollegialität auf der Straße. Fast keiner will uns haben. Natürlich hat sich der LKW-Verkehr in den letzten drei Jahrzehnten mindestens verzehnfacht, aber warum? Da müssen wir uns selbst bei der Nase nehmen, denn wir bestellen im Internet und die Zustellung soll in zwölf oder 24 Stunden erfolgen. Da steigt die Eisenbahn aus.
Wirken sich da auch Grenzkontrollen auf Ihre Arbeit aus?
Ja, da verlieren wir sehr viel Zeit. Jetzt sind wir Richtung Westen so viele Jahre einfach durchgehobelt – und dann kam das Problemjahr 2015. Nach Deutschland sind wir stundenlang gestanden, fünfzehn Kilometer Stau. Die Polizei ließ jeden aussteigen und hat geschaut, ob wir Flüchtlinge mithaben. Denn wenn wir jemanden mitnehmen, dann sind wir Schlepper. In Richtung Großbritannien klettern dir in der Nacht die Flüchtlinge unter die Plane, in die Achsen.
Ihnen ist so etwas noch nie passiert?
Das kriegst du gar nicht mit.
Welche Waren transportieren Sie hauptsächlich?
Wir fahren für die Autoindustrie, haben große Kunden im Sanitärbereich. Ich hab aber auch schon im Marchfeld Karotten lose geladen und, weil ich ja keinen Kipper hab, mich auf der Fahrt nach Liechtenstein zu Hipp gefragt, wie bringen die das wieder runter? Dort haben sie den LKW dann niedergezurrt und …
Umgekippt?
Und ich war entleert. Das Auto haben sie auch gleich gereinigt. Eine Arbeit von vier, fünf Minuten.
Zahlt sich das Fahren für Sie aus?
Ich habe im Schnitt ein Einkommen von 2.700 Euro netto. Aber wir leisten ja wirklich viel. Für einen LKW-Fahrer ist der Tag zwölf, dreizehn Stunden lang.
Wie schaffen Sie es da, Familie und Beruf unter einen Hut zu bringen?
Da braucht man natürlich einen tollen Partner. In meinen Glanzzeiten ist sie im Urlaub mit mir mitgefahren, nach Griechenland oder Norwegen, Finnland rauf. Das waren ganz tolle Fuhren.
Wenn Sie heute Urlaub machen, wie schaut das aus?
Da gibt’s oft Streitereien. Ich mag im Urlaub nicht wegfahren, aber da gibt’s den Modetrend, das Kind – unsere Nachzüglerin – muss nach den Ferien was zum Erzählen haben. Jetzt muss man halt was unternehmen.
Sie können die gesamte Ausgabe, in der dieser Artikel erschien, als ePaper kaufen:
Bei Austria-Kiosk kaufen