Der Syrer Mostafa Afes ist 2014 nach Österreich geflohen. Heute betreut er Vertriebene wie die Ukrainerin Oksana Moroz. Was lehren uns ihre Geschichten über Österreichs Umgang mit Menschen, die Schutz vor Krieg suchen?
Ein dunkler Abend Mitte November. Oksana Moroz und Mostafa Afes sitzen nebeneinander auf einer bunten Lederbank und reden. Licht spendet nur noch die Deckenlampe im ›Hostel Hütteldorf‹. Im Hintergrund hallen die Fußtritte einiger Kinder. Während Moroz und Afes miteinander sprechen, suchen sie beide nach einer Antwort auf dieselbe Frage: Warum? Was haben wir getan, dass wir alles verlieren mussten?
Mostafa Afes ist ein stämmiger junger Mann. Sein kurzes schwarzes Haar ist wie sein Bart fein ausrasiert. Wenn er spricht, dann nur leise. Oksana Moroz könnte kaum gegensätzlicher aussehen. Sie ist klein, keine 160 Zentimeter groß und zart gebaut. Das kurze, blonde Haar hängt ihr ein wenig ins Gesicht. Der Syrer und die Ukrainerin haben jedoch etwas Wichtiges gemeinsam: Beide sind vor einem Krieg nach Österreich geflohen. Beide mussten ihr altes Leben zurücklassen und versuchen jetzt, sich ein neues fern der Heimat aufzubauen.
Das Aufeinandertreffen syrischer und ukrainischer Flüchtlinge ist kein Zufall. Von den hunderttausenden Menschen, die um 2015 aus dem arabischen Raum nach Österreich gezogen sind, arbeiten inzwischen einige in jenem Betreuungssystem, das einst sie versorgte. So auch Mostafa Afes. Die zumeist männlichen Flüchtlinge aus Syrien, Afghanistan oder dem Irak sind jetzt als Betreuer für die überwiegend weiblichen Flüchtlinge aus der Ukraine verantwortlich.
Das führt mitunter zu einer paradoxen Situation. Denn eigentlich sollten die Alteingesessenen wie Afes, die bereits Deutsch sprechen, arbeiten und nach landläufigem Verständnis in die österreichische Gesellschaft ›integriert‹ sind, den Neuen zeigen, wie das mit der Integration funktioniert. Aber so sehr sich das Schicksal der Kriegsflüchtlinge einerseits ähneln mag, so unterschiedlich nimmt sie ihr Gastland zugleich wahr und auf. Viele Probleme, vor denen Männer mit dunklem Teint wie Mostafa Afes zu Beginn standen oder heute immer noch stehen, gibt es für blonde, blasse Frauen wie Oksana Moroz in Österreich nicht. Und doch kämpfen auch sie mit Schwierigkeiten und Herausforderungen, die für alle Flüchtlinge in Österreich gleich sind.
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