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Gutes muss man sich verdienen

Die Transformation zur Wissensgesellschaft braucht einen Kapitalismus der Aufgeklärten.

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Illustration:
Mathieu Cadelo
DATUM Ausgabe Juni 2021

1. Inventur
Alle reden von der Veränderung, gut so. Aber bevor wir anfangen, über das bessere Morgen nachzudenken, sollten wir erst mal ganz ehrlich Inventur machen. Anständig, solide. Visionen und Utopien sind leicht zu haben. Irgendwann, ganz fern von hier, soll etwas ­geschehen, was wir heute lassen. So geht das nicht. Wer es ernst meint mit der Transformation, muss anfangen zu verstehen, wie diese Welt funktioniert, ­­Wis­sen und Zusammenhänge verstehen, mit denen sich etwas ändern lässt.

2. Regelbrechen
Es gibt die Weisheit, die besonders in der Start-up-Kultur gerne zitiert wird : › You have to know the rules to break them. ‹ Das geht runter wie Öl und ist trotzdem leicht verdaulich. Klar, Regeln kennen, Regeln brechen, machen wir, wird erledigt! Echt ? Was runtergeht wie Öl, was leicht verdaulich ist, bleibt niemandem im Halse stecken und drückt auch nicht im Magen. Leichtverdauliches lässt sich leicht her­unterschlucken, das sind die ganzen Weisheiten, die man vergessen kann, sobald man sich zu ihnen bekannt hat. Nachhaltigkeit, Klimakrise, Ökonomie, Teilhabe, Selbstverwirklichung und der Zugang zu Wissen und echte Vielfalt hingegen sind nicht so leicht zu kriegen, wie sie sich aussprechen lassen. Ernste Veränder­ung ist Arbeit, schwere Arbeit sogar. Dies ist keine Übung. Also strengt euch gefälligst an.

3. Postmaterialismus
Die Inventur beginnt mit der ­­Frage, was wir für normal halten. Das dient der Frage, in welchen Zusammenhängen wir leben, denken und arbeiten, und ganz besonders sind damit die Dinge und Ideen gemeint, die wir für alltäglich, nicht bemerkenswert ­halten. Um mit dem ehemaligen Siemens-­Manager Heinrich von Pierer zu fragen : Wissen wir, was wir wissen ? In welchem Kontext steht die Transformation, die Veränderung ? Wie steht es um die ­Zusammenhänge ? Diese Frage gilt nicht nur für Au­to­fahrer, Eigenheimbesitzer und Mallorca-Flieger, sondern eben auch für alle wohlständigen, gut ausgebildeten Erben, den Kindern der Konsumge­sellschaft, die sich zu dem, was sie materiell nicht mehr nötig haben, nun noch eine Extraportion Moral gönnen.

Postmaterialismus muss man sich erst mal leisten können. Eine der Trans­formations­fragen ist also, ob die neue Kultur wirklich inklusiver ist als die alte, ob sie tatsächlich auch eine Transformation ist, die barrierefrei erfolgt ? Oder sind es nur einfach die neuen ­› feinen Unterschiede ‹, von denen Pierre Bourdieu berichtet hat ? Kultur ist Ideologie, immer, und Ideologie ist, was man für richtig und falsch hält, und, noch gefährlicher, worüber man erst gar nicht nachdenkt, weil es einem › normal ‹ scheint.

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