›Ich habe Quentin Tarantino einen Anzug gemacht‹

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Fotografie:
Ursula Röck
DATUM Ausgabe Juni 2019

Name: Bernhard Niedersüß, 45

Beruf: Herrenschneider

Wie wurden Sie Geschäftsführer dieser Schneiderei?

Ich habe nach der Matura die Herrenschneider-, Hemdenmacher- und die Einzelhandelskaufmannslehre begonnen. Danach bin ich als rechte Hand meines Vaters in seine Firma eingetreten. Dort habe ich 15 Jahre lang gelernt, 2006 habe ich mich dann selbstständig gemacht.

Wollten Sie immer schon Schneider werden?

Ich habe mich, wie viele meiner Freunde, zuerst an Jus und Wirtschaft probiert, habe aber beides relativ schnell sein lassen und bin bei dem geblieben, was ich gut kann. Mein Vater hat mich immer zu den Kunden mitgenommen und hinter die Kulissen blicken lassen.

Wer war Ihr prominentester Kunde?

Ich habe dem Regisseur Quentin Tarantino einmal einen schwarzen Anzug gemacht. Der war zwar nur von der Stange, aber angepasst für ihn. Er war wirklich extrem sympathisch und eine unkomplizierte Person.

Gibt es für Sie ein absolutes Meisterwerk der Schneiderkunst?

Ich versuche, jeden Anzug zu einem zu machen, aber es gibt ein paar außergewöhnliche Dinge, die wir gemacht haben, einen Pythonledergehrock zum Beispiel. Ich habe aber auch gelernt, dass man von den Kunden kein Lob erwarten soll. Wenn der Kunde bei der letzten Anprobe den Anzug anzieht und gespürte zehn Zentimeter größer wird, dann weiß man, dass man etwas richtig gemacht hat. 

Wie viel verdienen Sie?

Viel zu wenig für die Zeit, die ich arbeite. Ich verdiene gehaltstechnisch 5.000 Euro. Aber ich muss die Steuern noch abführen, also circa 3.000 Euro im Monat.

Welches war das teuerste Stück, das Sie je angefertigt haben?

Wir haben für einen Kunden einmal einen vierteiligen Kaschmir-Anzug gemacht, der lag bei etwa 22.000 Euro.

Haben Sie Aufträge, die Ihnen lieber sind als andere?

Natürlich Großaufträge (lacht). Aber sonst nicht wirklich, die Abwechslung macht es aus. Jetzt haben wir die ganzen leichten Anzüge, ab Juni freue ich mich aber wieder auf die schweren Winterstoffe, die haben eine ganz andere Haptik. Wenn die Jagdsaison beginnt, machen wir wieder Jagdsakkos, Schießwesten, Safarikleidungsstücke.

Stirbt der Beruf des Maßschneiders langsam aus?

Es gibt immer weniger. Ich gebe die Schuld hier rein der Bildung, heutzutage gehen viel zu wenige Jugendliche in eine Lehre. Studieren ist eine wichtige Sache, aber der handwerkliche Beruf hat auch Vorteile. Man befasst sich viel früher mit etwas und kann dadurch viel besser werden. •