›Ich möchte in den Himmel kommen‹
Die Autorin führt Gespräche ›Auf Leben und Tod‹, diesmal mit dem ehemaligen Generalanwalt von Raiffeisen, Christian Konrad.
Wann war Ihnen das erste Mal bewusst, das es den Tod gibt?
Des weiß ich nimmer.
Oder vielleicht der erste Mensch, dessen Tod Sie berührt hat?
(überlegt lange) Ich habe wenige Menschen sterben sehen oder knapp vor ihrem Tod erlebt. Und das waren alles Fälle, wo es ohne Kampf gegangen ist, also friedlich. Wenn irgendein eher weitschichtiger Verwandter gestorben ist, da war man nicht so unmittelbar dran und hat sich halt gedacht, naja, das ist tragisch und die betroffenen Hinterbliebenen haben einem leidgetan. Man hat versucht, Umstände zu mildern und mitzuhelfen. Wirklich nahe gegangen ist mir der Tod meines Vaters. Das war 1989, da war ich 45 Jahre alt. Er war in der letzten Zeit ziemlich krank, er hatte Lungenkrebs und immer weniger Atem, er hat mir sehr leidgetan. Furchtbar. Im August hatte mein jüngster Bruder Geburtstag und wir haben eine Flasche Champagner getrunken und da hat er daran genippt. Champagner hat es im Haus sehr selten gegeben, aber wir haben gedacht, so viele Gelegenheiten haben wir nicht mehr, trinken wir diesen einen Schluck Champagner. In der Nacht darauf ist er friedlich eingeschlafen. Ohne Kampf und in Ruhe. Wie das bei mir sein wird, weiß ich nicht, es ist aber auch nicht so, dass ich Tag und Nacht darüber nachdenke. Ich würde mir wünschen, dass der Tod nicht am Ende einer langen, womöglich schmerzhaften Krankheit steht, sondern wenn, dann soll es halt passieren. Wenn möglich, mag ich auch keinen Unfalltod haben.
Das heißt, wie wollen Sie sterben?
Am liebsten im Schlaf, plötzlich. So ungefähr.
Sie sind gläubiger Katholik. Was glauben Sie kommt nach dem Tod?
Was kommt?
Nach dem Tod.
Nach dem Tod? (lacht) Na ja, ich glaube zunächst einmal, dass da etwas kommt. Im Katechismus heißt es Hölle, Fegefeuer, Himmel. Ich hoffe, dass ich, wenn schon, nur kurze Zeit im Fegefeuer bin und dann irgendwann im Himmel lande. Ich möchte in den Himmel kommen, ja. Damit mir das gelingt, versuche ich so zu leben, dass ich eine Chance habe.
Und wie machen Sie das so?
Christliche Erziehung. Zehn Gebote. Eine ordentliche Kinderstube. Und die einfachen Weisheiten: Was du nicht willst, dass man dir tut, das füge auch keinem anderen zu. Menschen nicht wissentlich in die Irre zu führen. Ordentlich umzugehen, ehrlich bleiben. Nicht zu betrügen.
Haben Sie demnach gute Karten auf den Himmel?
Na ja. (überlegt) Ich habe ein mindestens gut durchschnittliches Blatt.
Haben Sie Angst vor dem Tod?
Aus heutiger Sicht, nein. Ich weiß, dass er irgendwann einmal kommt, und ich versuche vorbereitet zu sein. Ich beobachte meine Mutter, die ist in ihrem 99. Lebensjahr und redet seit zehn Jahren in unterschiedlichen Wellen über den Tod. Sie sagt: ›Es geht mir gut, ich lebe gerne, aber ich weiß eigentlich nicht wieso mich der Herrgott noch auf der Welt lässt.‹
Sie haben im vergangen Jahr als Flüchtlingskoordinator gearbeitet. Hat das Ihren Blick auf Ihr Leben verändert?
Ich komme aus einem christlich-bürgerlichen Haus. Die Frage des Mitgefühls, der Solidarität, der Bereitschaft zu helfen, war immer da. Aber es gibt unterschiedliche Umstände. Das war jetzt eine Situation, die besonders herausfordernd war. Wobei: mein unmittelbares Geschäft war ja nicht, Flüchtlinge zu betreuen oder zu versorgen, sondern Bedingungen zu schaffen, damit sie ordentlich untergebracht sind.
Sie haben einmal gesagt: ›Das Leben ist schön. Man muss es genießen.‹ Wie tun Sie das?
Das Leben ist schön! Aus der Erfahrung des letzten Jahres kann ich sagen, dass man am meisten Freude nach Befolgen des Prinzips ›Geben ist seliger als nehmen‹ hat. Und wenn man sich einen ruhigen Moment hinsetzen kann und den Augenblick genießt. Oder ein gutes Glas Wein. Oder ein Gespräch. Das sind so Momente, die ich genieße, mit Freunden, mit der Familie. Oder ich sitze im Wald und schaue mir die Tiere an, das Wild.
Sie sind leidenschaftlicher Jäger, also nehme ich an, bevor Sie es erschießen?
Sie werden sich wundern, ich sitze viel öfter im Wald und schieße nicht als umgekehrt. Geschossen ist gleich einmal.
Und dann ist es auch vorbei.
Ja, für die halt.
Ein Tier zu töten, also einem Tier das Leben zu nehmen, ist da der Tod für Sie ein Gedanke?
Ein Tier zu schießen? Für mich ist die Jagd etwas Natürliches, wobei sich der Sinn natürlich gewandelt hat, also ich schieße nicht mehr um mich zu ernähren sondern aus Lust am Beute machen. Mit dem Wissen, dass der Mensch in einer Kulturlandschaft regulierend eingreifen muss. Aber ich erschieße ja nicht alles, was ich sehe.
Ein Glück.
Dann ist da die Konzentration auf den Augenblick, der sollte perfekt funktionieren. Es muss passen. Fall erledigt.
Sie haben einmal einen Hirsch drei Jahre lang gejagt, als Sie ihn da erlegt hatten, war das nichts? Vielleicht traurig?
Grausig, naja, es war nicht so grausig …
Nein, traurig.
Was, traurig? An sich nicht, nein. Es war eher so: Jetzt hab ich’s! Es ist vollbracht.
Was möchten Sie im Leben noch machen?
Ich möchte dafür sorgen, dass meine Kinder und Enkelkinder einen ordentlichen Weg gehen. Persönlichkeitsentwicklung, Ausbildung, Schulen. Ich möchte mehr im sozialen Feld tätig sein. Das Thema Asylwesen beschäftigt mich weiter, da will ich helfen. Und ansonsten muss ich keinen Baum mehr pflanzen, Sohn zeugen geht eh nimmer, Haus bauen muss ich auch keines mehr. Alles erledigt.
Vielleicht noch etwas für Sie selbst?
Ich würde gerne mein Gewicht um 15 Kilo reduzieren und meine Fitness erhöhen. Und da ich einen kleinen Schwerpunkt auf Dalmatien habe, werde ich mich ernsthaft bemühen Kroatisch zu lernen.