Über Hier und Jetzt

Der Versuch, Musik in Worte zu fassen, gelingt selten. Für Jazzer bleibt er dennoch unwiderstehlich.

DATUM Ausgabe Februar 2017

Sympathie war es nicht. Schon eher die Faszination des Fremden. Denn obwohl der steife Intellektuelle Harry Haller mit dem Saxofonspieler Pablo zunächst nichts anzufangen weiß, fühlt er sich von dessen Gedankenlosigkeit herausgefordert. Immer wieder will er den Jazzmusiker in ein Gespräch über Musik verwickeln, aber Pablo windet sich. Das habe doch gar keinen Sinn, meint er. Über Musik nachzudenken und sie zu analysieren bringe gar nichts. Man müsse sie erfahren, sich von ihrer Energie mitreißen lassen, sie spielen oder dazu tanzen.

Diese Szene aus dem ›Steppenwolf‹ von Hermann Hesse ist nur eine der gut fünfzig Episoden, die Hans Christoph Buch in seiner Anthologie ›Black and Blue. Literatur aus dem Jazz-Zeitalter‹ versammelt. Sie bietet einen Überblick über Versuche der Literatur des 20. Jahrhunderts, den Jazz in Worte zu fassen, eine der ältesten Formen von Populärmusik, die sich ihre Faszinationskraft auch im neuen Jahrtausend bewahrt hat. So steht ein Jazzpianist im Mittelpunkt des Filmmusicals ›La La Land‹, mit sieben Golden Globes Favorit für die Oscar-Verleihung Ende Februar. In den aktuellen Alben von Popstars wie Radiohead und Adele und dem letzten von David Bowie ist der Bezug zum Jazz unüberhörbar. Und im Hip-Hop war Jazz immer schon mehr als eine Fundgrube für Samples.

Anders als Film und Musik hat die Literatur eine größere Hürde zu überwinden, will sie der Anziehungskraft des Jazz nachgeben. Sie steht vor der medialen Herausforderung, den Klang in Schrift zu überführen, die vergängliche Erfahrung von Sounds in bleibende Texte und Bedeutungen zu übersetzen. Für die Frage, wie sich Jazzmusik in der Sprache, im Schreiben von Büchern widerspiegelt, liefert ›Black and Blue‹ einen guten Ausgangspunkt.

Die hier versammelten Stimmen reichen von Romanciers wie F. Scott Fitzgerald und Sartre über Poeten wie Brecht, Fries und Langston Hughes bis zu Kritikern, Philosophen und den Jazzlegenden Louis Armstrong und Billie Holiday. Was sie alle gemeinsam haben: Sie gehen den Jazz aus der subjektiven Erfahrungsperspektive eines Ich-Erzählers an. Fiktiv oder nicht, der Gestus autobiografischer Berichte und Zeugnisse dominiert den literarischen Zugang zum Jazz.

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